Richard Schallert: "Ich könnte nie Österreichs Cheftrainer sein"

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Richard Schallert, 50, sorgt als Trainer des tschechischen Teams für Euphorie, Roman Koudelka ist einer der Favoriten. Der Vorarlberger schwört auf Energie, er lehnt Tüftelei ab: "Wir springen mit Anzügen von der Stange."

Oberstdorf. Im Allgäu herrschte großes Aufatmen. Pünktlich zum Start der 63. Vierschanzentournee hielt der Winter Einzug. Schnee, Kurgäste und Schanzentouristen sorgten in Oberstdorf für Stimmung, den letzten Kick verlieh allem dennoch der traditionell nah der Schattenbergschanze thronende Glühweinstand. Hier wurde philosophiert über Adler, Sternschnuppen und Favoriten. Und oft fiel der Name des Tschechen Roman Koudelka.

Nach Jiří Raška (1971) und Jakub Janda (2006) hat wieder ein Tscheche die Chance, den Schanzenklassiker zu gewinnen. Der 25-Jährige aus Turnau springt seit 2006 im Weltcup, blieb jedoch unauffällig. Alles änderte sich schlagartig, als im April ein neuer Trainer engagiert wurde. Der Vorarlberger Richard Schallert, 50, formte aus Koudelka einen Sieger.

„Er war bewegungsunfähig“

Schallert, sein größter Erfolg war 1987 WM-Bronze mit dem Team in Oberstdorf, war Trainer in Stams, im ÖSV, in Tschechien (2006–2009), er half Deutschen, Russen (2011–2012), Rumänen und ist nun wieder bei den Tschechen. „Ich bin am Puls der Zeit“, sagt der Brandner, der von Erfahrungen, Erfolgen und Enttäuschungen wie der Entlassung in Russland vor den Spielen in Sotschi erzählt. Warum aber ist Koudelka mit drei Saisonsiegen nun die Überraschung, was macht Schallert jetzt anders als seine Vorgänger, als er selbst? „Ich nichts, aber Roman ist gereifter. Seine dubiose Krankheit ist gelöst, irgendein Nerv im Nacken war eingeklemmt. Er war praktisch bewegungsunfähig.“

Der Athlet hatte Zeit nachzudenken, eine Psychologin spendete Rat und sobald der Schmerz verschwunden war, begann er „wie wild zu trainieren“, sagt Schallert. Das Pensum sei enorm, „die absoluten Werte fantastisch“ und das Zusammenspiel von Gefühl, Technik und Kraft hätten Koudelka zu diesem Hoch verholfen. Er mache aber auch keine Kompromisse. „Es steckt viel Energie dahinter. Er ist ein hochenergetischer Typ.“ Anspannung und Ablenkung, es klingt simpel. Und Wunderanzug, krummer Bindungsstab oder Spezialbelag – mit diesen Tricks will Schallert nichts zu tun haben. Das widerspräche seiner Philosophie, er ging in diesem Punkt mit der Konkurrenz hart ins Gericht. „Materialtüfteln ist das Allerletzte. Ich will der Beste sein, weil ich es bin – und nicht mein Schuh.“ Mit dem Material seiner Mannschaft könne übrigens jeder springen. „Wir haben nur Anzüge von der Stange...“

Tschechien wurde hellhörig, neben Eishockey ist Skispringen wieder in den Nachrichten. Die Euphorie ist enorm, darum war Schallert darauf bedacht, die Seinen vor dem Neujahrsspringen (Donnerstag, 13.30 Uhr) zu behüten. In dieser Tätigkeit sieht er die Wurzel seiner Branche, als Arbeit im Hintergrund. Er sagt: „Ich wollte nie dort oben auf dem Turm stehen und den großen Wachler spielen.“ Auch die nächste, die logische Frage beantwortet er prompt: „Ich wollte und könnte nie ÖSV-Cheftrainer sein.“ Er passt schlichtweg nicht in das ÖSV-Profil. Er geht seine Wege, am Puls der Zeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2014)

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