Der „schwarze Blitz“ bleibt unvergessen

Ski alpin. Toni Sailer wäre heute 80 Jahre alt geworden. Ein Blick zurück, Anekdoten, seine Rennen, Filme und sein überaus bewegtes Leben.

Sein allererstes Skirennen im Alter von zehn Jahren hatte Toni Sailer eigentlich nicht gewonnen, weil er trotz Bestzeit nachträglich disqualifiziert worden war. Die Aberkennung des Sieges ging dem Nachwuchsfahrer so nahe, dass er herzzerreißend zu weinen begann. Davon ließ sich die Rennleitung tatsächlich erweichen und sprach dem kleinen Toni den Sieg doch wieder zu.

Diese Anekdote beweist, wie ehrgeizig der am 17. November 1935 in Kitzbühel geborene Toni Sailer schon als Kind war. Kaum hatte er das Laufen gelernt, da stand er auch schon auf Skiern. Kein Wunder, dass der Sohn eines Spenglermeisters bereits in der Schule von Sieg zu Sieg eilte. Und auch später feierte der fesche, stets gut gelaunte Sailer rasch Erfolge: 1955 siegte er bei der legendären Lauberhornabfahrt, ein Jahr später gewann er in Kitzbühel neben der Hahnenkammabfahrt den Slalom und die Kombination.

Dennoch trauten ihm Experten bei den 1956 in Cortina d'Ampezzo stattfindenden Winterspielen lediglich eine Außenseiterrolle zu. Aber der 20-jährige Sailer sollte die Fachwelt eines Besseren belehren. Als erster Skifahrer gewann der gelernte Glaser- und Spenglergeselle sämtliche alpinen Bewerbe bei Olympischen Spielen. Imposant war vor allem, mit welcher Dominanz er seine Siege herausfuhr: In der Abfahrt betrug sein Vorsprung auf den Zweitplatzierten 3,5 Sekunden, im Slalom vier Sekunden und im Riesenslalom gar 6,2 Sekunden. Österreich feierte seinen Helden, der die Goldmedaillen im Kreis der Familie verteilte: eine für die Mutter, eine für den Vater, eine für sich. Trotz der Erfolge blieb „der schwarze Blitz aus Kitz“, so nannte man Sailer aufgrund seiner flatternden, schwarzen Skihose, bodenständig und bescheiden.

Nachdem Sailer wegen der Amateurstatuten – die es ihm verboten, mit dem Sport Geld zu verdienen – Filmangebote abgelehnt hatte, übernahm er 1957 in dem Streifen „Ein Stück vom Himmel“ die unverfängliche Rolle eines Wasserskiläufers. Im Jahr darauf startete der Tiroler bei der WM in Bad Gastein, „nur um zu beweisen, dass meine Erfolge von Cortina keine Eintagsfliege waren“. Er siegte in der Abfahrt, im Riesenslalom und in der Kombination. Kurz darauf spielte Sailer in „Der schwarze Blitz“ einen Skifahrer, weshalb er in Konflikt mit dem Internationalen Skiverband und dem Internationalen Olympischen Komitee geriet.

Um einer Sperre zuvorzukommen, erklärte der erst 22-jährige Ausnahmeathlet im Sommer 1958 seinen Rücktritt. Fortan konzentrierte sich Sailer auf seine Karriere als Schauspieler. Er besuchte eine Berliner Schauspielschule, wirkte in 25 Filmen mit, spielte Theater. Zudem nahm er 18 Schallplatten auf. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich seine Werke in Japan, „Heidi-Filme“ und Alpenkitsch sind bis dato populär. Im Land der aufgehenden Sonne wurde Sailer sogar von Kronprinz Akihito empfangen.

Anfang 2008 wurde bekannt, dass Toni Sailer an Kehlkopfkrebs litt. Diesen Schicksalsschlag nahm er mit der ihm eigenen Größe und Gelassenheit hin. „Ich fürchte mich nicht vor dem Tod. Wenn der Tod kommt, dann kommt er. Angst habe ich auf der Streif, aber nicht vor dem Tod“, sagte er. Sailer verstarb am 24. August 2009 in Innsbruck.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2015)

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