Shiffrin: "Es gehört doch zum Job dazu, gut auszuschauen"

Mikaela Shiffrin
Mikaela Shiffrin(c) GEPA pictures / Harald Steiner
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Sie galt als Wunderkind, wurde mit 17 erstmals Weltmeisterin und gewann 2014 Olympia-Gold. Doch Slalomsiege allein sind Mikaela Shiffrin, 20, nicht mehr genug. Die Amerikanerin sucht das Tempo, sie träumt sogar von der großen Kristallkugel.

Kilian Albrecht ist mit den Abläufen im Skiweltcup bestens vertraut. Der ehemalige Skifahrer, einst für ÖSV und Bulgarien unterwegs, arbeitet nun als Manager. Er betreut Mikaela Shiffrin, den Superstar im Damenweltcup neben Größen wie Anna Fenninger oder Lindsey Vonn. Shiffrin, geboren in Eagle-Vail, Colorado, und 20 Jahre alt, hat im Slalom alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Olympia-Gold in Sotschi 2014, WM-Gold in Schladming 2013 und Beaver Creek 2015, 15 Weltcupsiege und drei kleine Kristallkugeln, Albrecht kommt aus dem Aufzählen kaum heraus, nun setzt sich die Amerikanerin im Weltcup neue Speed-Ziele. Sie träumt vom Gesamtweltcupsieg, hat sich im Riesentorlauf verbessert, ihr Programm um Super-G und Kombination erweitert.

Shiffrin sei ein Naturtalent, sagt Albrecht stolz, sie werde immer und überall von ihrer Mutter Eileen begleitet. „Die Familie förderte ihre Karriere von Anfang an, schon in der High School war alles durchgeplant“, sagt Albrecht, der Shiffrin seit ihrem sechsten Lebensjahr kennt. Vor Saisonstart trafen sich Skijournalisten und alle Atomic-Stars in Altenmarkt-Zauchensee, der Andrang war enorm. Albrecht erfüllte dabei der „Presse am Sonntag“ einen Wunsch. Ein kurzes Gespräch mit Mikaela Shiffrin, abseits der Masse.

Der Rummel um Ihre Person ist enorm, die Fragen drehen sich zumeist um Siege, Erfolge. Wie lebt es sich denn mit der Rolle eines Skistars, einer Favoritin?

Mikaela Shiffrin: Ich bin wirklich stolz darauf, dass alle anderen Girls sagen: ,Sie ist diejenige, die alle Titel gewinnen kann.‘ Aber ob das in dieser Saison gelingt, bleibt abzuwarten. Was ich aber unbedingt möchte, ist, als eine der Favoritinnen zu gelten. Das gibt mir Kraft und Motivation. Ich hoffe, dass ich in den technischen Disziplinen weiterhin auf das Podest fahren kann. Mit dem Super-G und der Kombination habe ich jetzt noch weitere Chancen bekommen.

Sehr viele Fragen drehen sich zumeist auch um Ihr Aussehen. Wie wichtig ist das Auftreten im Skisport?

Sie sollten mal im Badezimmer sehen, wie lang ich brauche, um mich zu schminken... (lacht) Es gehört jedenfalls zum Job dazu, gut auszuschauen, oder? Attraktiv sein, eloquent antworten, Emotionen vermitteln – ich will Menschen unterhalten.

Haben Sie ein Medientraining absolviert? Sie antworten ziemlich schnell...

Nein, die Antworten habe ich nicht geübt, auch darin werde ich besser. Und Angst, merken Sie das? Na ja, ich rede halt wie ein Wasserfall...

Sie starten jetzt in vier Disziplinen: Slalom, RTL, Super-G und Kombination. Da kann das Ziel ja nur Gesamtweltcup lauten.

Ich bin mir da noch nicht so sicher. Die große Kristallkugel ist natürlich eines meiner großen Ziele, Aber in dieser Saison? Wie mache ich mich im Super-G, was geschieht mit mir im Riesentorlauf? Ich habe die Möglichkeit, viele wichtige Punkte zu sammeln, ja. Aber schon jetzt an den Sieg zu denken, würde mir enormen Druck auflasten. Das will ich nicht. Ich werde auf Gleitstücken gerade immer besser. Und ich darf nie vergessen, dass da draußen auch so viele junge, jüngere und schnelle Girls sind, die eines wollen: mich schlagen. Man muss auch immer gierig sein. Jeder Sieg macht mich hungrig nach noch mehr Siegen. Lindsey Vonn ist die Favoritin. Es wird schwer, sich mit ihr zu messen.

Wie schwierig war für Sie denn die Umstellung, wie kommen Sie jetzt mit dem höheren Tempo zurecht?

Für mich ist das eigentlich eine vollkommen neue Erfahrung. Du musst einen eleganten Touch mit dem Schnee zustandebringen, den richtigen Druck finden, wie du den Ski belastest. Du musst Bewegungen richtig setzen – die echten Fahrer beherrschen diesen Touch, den sonst keiner sieht. Bei meinen ersten Abfahrtstrainings hatte ich Probleme mit den Doppel-Gates. Ich wusste nicht so recht, wo und wie es langgeht. Ich bin einfach geradeaus durchgefahren. (lacht)

Kennen Sie den Begriff der Angst, wie viel Respekt fährt bei diesen Rennen mit?

Du musst immer den nötigen Respekt für Gesundheit, Situation und Strecke mitbringen. Wer so schnell fährt und einen Fehler macht, landet schnell im Netz. Wir sind dann mit 120 km/h unterwegs, das ist nicht wenig. Im Riesentorlauf bist du mit 60 km/h unterwegs, das ist dann ein ganz anderes Risiko! Da geht es immer um die Gesundheit.

Besonders heikel, aber auch spektakulär sind Sprünge. Sind die auch für eine Slalomfahrerin machbar?

Das wird auch immer besser, ja! Es ist so lustig in der Luft. Ich versuche immer die Beine anzuziehen und glaube, dass ich cool dabei aussehe. Doch meine Trainer fragen mich dann: ,Was machst du da? Bist du verrückt?‘

Für Skifahrer ist das Vertrauen ins Material essenziell. Man munkelt, Sie hätten in der Vergangenheit nicht gar so darauf geachtet.

Das war am Anfang meiner Karriere sicher so. Aber jetzt gebe ich Atomic das Feedback nach Tests und Rennen, es funktioniert. Ich muss mich wohlfühlen, oft denke ich mir auch: ,Wow, das geht ja ganz leicht!‘ Wenn nicht alles so läuft, wie du willst, beginnst du nachzudenken. So bleiben mir Überraschungen erspart. Aber das war auch nur ein Entwicklungsprozess für mich, auf mein Equipment mehr zu achten.

Anna Fenninger wird die ganze Saison verpassen, wird sie Ihnen fehlen? Wie ist das Verhältnis zu ihr?

Sie ist eine der wichtigsten Fahrerinnen, gut für unseren Sport. Sie ist hübsch, stark, sie hat eine gute Athletik – sie gewinnt. Sie hat nicht umsonst alles gewonnen, sie gefällt den Fans. Ich bewundere auch diese Tapferkeit, die sie beim Streit mit dem Verband gezeigt hat. Das Skifahren braucht Persönlichkeiten wie sie. Ich hoffe, sie kommt bald wieder!

Das klingt ungemein begeistert. Sind Sie eventuell sogar ein Fan von ihr?

Ja, da habe ich aber viele Vorbilder. Etwa alle, die jetzt zuletzt zurückgetreten sind. Sind bleiben meine Idole (lacht). Aber ehrlich jetzt: Hirscher ist ein ungeheuer starker Fahrer, Fenninger auch. Ebenso Lindsey Vonn, von ihr profitiere ich enorm. Sie fährt im gleichen Team, von ihr kann ich alles lernen. Ich habe aber die gleichen Helden wie alle anderen auch – wir alle lieben Sieger. Und ich konnte gegen einige von ihnen fahren, das ist ein Privileg. Ein cooles Gefühl! Und wer es genau wissen will: Ich verehre Marlies Schild. Sie war super. Ihr habe ich genau zugesehen. Es ist jetzt drei oder vier Jahre her, es war in Courchevel. Sie gewann mit einer Sekunde Vorsprung und ihr zweiter Durchgang war für mich der absolute Wahnsinn. Holy crap...

Ist ein Vergleich zwischen Herren und Damen auf der Piste zulässig? Da geht es um Kraft, Ausdauer.

Ich denke, dass man das überhaupt nicht vergleichen kann. Die Herren sind so ausgeglichen, da gibt es vermutlich zehn Fahrer, die jedes Rennen gewinnen können. Bei uns ist es anders. Da gibt es drei oder fünf Fahrerinnen, die alles gewinnen können. Anna, Lindsey, Tina Maze – bei den Herren gibt es mehr Sieger. Obwohl Hirscher sehr oft gewinnt. Das zeigt, wie super er Ski fahren kann.

Finden Sie bei den US-Herren denn keine Hilfe? Es wären wichtige Richtwerte.

Oh doch. Ich habe an mir so hart gearbeitet und auch mit den US-Herren trainiert. In Neuseeland habe ich in der Vorbereitung viel mit Ted Ligety trainiert. Ich hoffe, die Schinderei zahlt sich im Weltcup aus.

Worauf haben Sie es denn nun abgesehen? Ist die große Kugel nur ein Traum, obwohl so viele Fahrerinnen abgetreten sind, Maze Pause macht, Fenninger verletzt ist – die Chance ist so groß wie nie zuvor.

Ich habe viel investiert, und der Riesentorlauf fühlt sich immer mehr an wie der Slalom. Der Riesen-Schwung fühlt sich besser an, ich denke auch schneller. Ich fühle also definitiv, dass ich schneller geworden bin. Aber noch einmal, das große Kristall kann man nicht planen. Auf kleine Kugeln hoffe ich aber definitiv.

Steckbrief

1995
Mikaela Shiffrin kommt am 13. März in Vail, Colorado, auf die Welt.

Start der Skikarriere
Sie besucht die Burke Mountain Academy in Vermont, startet im Whistler Cup, einem Kinderbewerb. 2008 gewann sie Slalom, Riesenslalom und Kombination.

2010
gewinnt sie in Italien den Slalom und Riesenslalom des Trofeo Topolino, des bedeutendsten internationalen Kinderskirennens.

2011
debütiert sie im März im Ski-Weltcup. Bis dato hat sie 15 Siege gefeiert, gewann dreimal den Slalomweltcup (2012/13, 2013/14, 2014/15).

2013
wurde sie bei der WM in Schladming Weltmeisterin. Sie gewann 2015 erneut Gold in Beaver Creek.

2014
wird Mikaela Shiffrin in Sotschi Olympia-Siegerin im Slalom.

2015/2016
träumt sie vom Gewinn der großen Kugel. Beim Start in Sölden wird sie Zweite.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2015)

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