Der Kampf der Geschlechter

Frankfurt v l Schiedsrichter Bibiana Steinhaus Gelbe Rote Karte Kerem Demirbay Fortuna Duesseldorf
Frankfurt v l Schiedsrichter Bibiana Steinhaus Gelbe Rote Karte Kerem Demirbay Fortuna Duesseldorfimago/Eibner
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Die Damen sind Mikaela Shiffrin zu langsam, der Skistar will sich mit den Herren messen. Das Duell Frau gegen Mann übt seit jeher seinen Reiz aus, nur aufschlussreich war es selten.

Wenn Lindsey Vonn, Mikaela Shiffrin oder Anna Fenninger schneller fahren als wir, stört mich das nicht“, sagt Marcel Hirscher. Tatsächlich haben die Damen im Riesentorlauf auf bestimmten Kursen klar die Nase vorn. Das liegt an den Radiusvorteilen, die ihre kürzeren und taillierteren Skier mit sich bringen. Die Damen können damit ihre Schwünge immer noch voll durchziehen, wenn die Herren schon zum Driften gezwungen sind. Auch beim gemeinsamen Training in Vail hat Vonn einige ÖSV-Herren hinter sich gelassen.

Schon im Herbst 2012 hatte die US-Amerikanerin den Antrag gestellt, in Lake Louise an der Herrenabfahrt teilnehmen zu dürfen. Ihr Gesuch wurde von der FIS abgelehnt. Ähnlich wie damals Vonn, die in der Abfahrt übrigens mit Herrenmaterial an den Start geht, dominiert derzeit Mikaela Shiffrin die weibliche Skikonkurrenz. Nach Shiffrins Slalomglanztaten in Aspen, bei denen sie die restliche Damenwelt mit Rekordvorsprung deklassiert hatte, wurde sogleich der Ruf nach einem Kräftemessen mit den Männern laut. „In Schladming als Vorläuferin zu fahren, wäre cool“, meinte die 20-Jährige. Auch Marlies Schild hatte sich 2012 beim Nachtrennen als Vorläuferin versucht. Schild fuhr die 25. Zeit, sie hätte den zweiten Durchgang erreicht. Solche Vergleiche sind im Skirennsport allerdings wenig aussagekräftig, zu groß ist der Einfluss von Material und Kurs.

Bei Duellen zwischen Frauen und Männern steht ohnehin nicht der sportliche Wettkampf im Vordergrund. Sie seien vielmehr als Marketingstrategie zu verstehen, meint der Sportsoziologe Minas Dimitriou. „Im Einzelsport haben Frauen im Normalfall keine Chance, bleiben wir realistisch“, sagt der Wissenschaftler von der Universität Salzburg. Mitunter könnten Erkenntnisse gewonnen werden, doch letztlich gehe es darum, Schlagzeilen zu provozieren, den Werbewert zu steigern.

Geschlechterduelle seien stets als Spektakel, als Unterhaltung konzipiert. „Der Wettkampf wird zur Farce, der genuine Bereich des Sports verliert“, erklärt Dimitriou. Vorstöße wie jener von Shiffrin seien also nicht als ernsthafte Kampfansagen überzubewerten, „das meinen sie auch nicht so“.


Zigarettenpause. Die vielleicht unterhaltsamste Episode im sportlichen Geschlechterduell liegt knapp 18 Jahre zurück. Die jugendliche Serena Williams meinte, Damentennis sei langweilig, sie würde gern bei den Herren spielen. Karsten Braasch, ein um Rang 200 in der Weltrangliste platzierter kettenrauchender und dem Rotwein nicht abgeneigter deutscher Tennisprofi im Spätherbst seiner Karriere (beste Platzierung: 38), besiegte erst Serena (6:1), dann ihre Schwester Venus Williams (6:2). Nach eigenem Bekunden hatte er dabei ein paar Radler intus, Augenzeugen berichten auch von einer Zigarettenpause beim Seitenwechsel.

Vor den diesjährigen US Open sagte der 56-jährige John McEnroe, er würde gegen die inzwischen 34-jährige Serena gewinnen. Ein ähnliches Duell fand bereits 1973 statt: Im berühmt gewordenen „Battle of the Sexes“ besiegte die damals 29-jährige Billie Jean King den 55-jährigen Bobby Riggs klar mit 6:4, 6:3, 6:3. Das Österreicher-Duell 2009 zwischen der damals 29-jährigen Sybille Bammer und dem um 13 Jahre älteren Thomas Muster entschied wiederum der Steirer für sich: 6:3, 6:2.

Dieses meist zum „Kampf der Geschlechter“ überhöhte Kräftemessen waren stets von gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Kerem Demirbay hingegen hat den Respekt gegenüber dem anderen Geschlecht unlängst vermissen lassen. Der Fußballer des Zweitligisten Fortuna Düsseldorf wurde vergangenen Sonntag von Bibiana Steinhaus mit Gelb-Rot vom Platz gestellt. „Frauen haben im Männerfußball nichts verloren“, soll der 22-Jährige daraufhin zur Schiedsrichterin gesagt haben. Sein Klub verhängte eine Geldstrafe, das Sportgericht sperrte ihn für fünf Spiele, er hat sich entschuldigt.

Steinhaus ist eine erfahrene Unparteiische im Männerfußball, einzig die Bundesliga blieb der Polizistin bislang verwehrt; weil gegenüber Frauen immer noch Ressentiments existierten, ist Soziologe Dimitriou überzeugt. Er meint, der Fußball habe als „Arena der Männlichkeit“ ausgedient, deshalb seien nach Demirbays Machospruch durchaus Strafen gerechtfertigt gewesen.


Wunderschwimmerin. Obwohl sich die Bestleistungen der Frauen jenen der Männer annähern, gibt es doch Grenzen der physiologischen Leistungsfähigkeit. Allerdings: 2012 sprengte ein 16-jähriges Mädchen die Grenzen der Geschlechter. Ye Shiwen (1,73 Meter) war bei ihrem Olympiasieg in London über 400 Meter Lagen auf der Schlussbahn schneller als Ryan Lochte (1,88 Meter), der das Herrenrennen gewann – und als einer der besten Schwimmer überhaupt gilt. Logisch, dass Dopinggerüchte sofort die Runde machten. Nur, sie bestätigten sich nicht. Ist Ye eine Wunderschwimmerin? Sie nahm der Sensation die Substanz: Lochte habe Kräfte gespart, zudem sei er doch über die Gesamtdistanz um 23 Sekunden schneller gewesen als sie.

Auch Shiffrin relativierte: „Ein Herrenrennen zu gewinnen wäre cool. Ich bin aber nicht annähernd auf diesem Level.“ Das Thema sei schmeichelhaft, mehr aber nicht. Hirscher hat mit dieser Diskussion dennoch kein Problem. „Teilweise müssen wir im Riesentorlauf einen richtig guten Tag erwischen, um schneller zu sein. Ich sehe keinen Grund, das nicht sagen zu dürfen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2015)

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