Reinfried Herbst: Die finalen Schwünge einer Abschiedstour

 Reinfried Herbst – Slalom war seine Leidenschaft.
Reinfried Herbst – Slalom war seine Leidenschaft.(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Christian Walgram)
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Reinfried Herbst verspürt vor seinem letzten Kitzbühel-Slalom spezielle Vorfreude, der Routinier spekuliert mit einem unerwarteten Glücksmoment. Der Blick zurück erfüllt ihn mit Zufriedenheit: „Ich hatte eine gute Zeit.“

Kitzbühel. Reinfried Herbst könnte eigentlich allen Grund haben, unzufrieden zu sein, zu grübeln. Nur zwei Mal fuhr der Routinier in den bisherigen fünf Saisonslaloms in die Punkteränge (24., 25.), zwei Mal schied er aus, in Santa Caterina reichte es nicht einmal zur Qualifikation für den zweiten Durchgang. Der Salzburger wirkt dieser Tage dennoch unaufgeregt, in der Ruhe liegt die Kraft. Herbst hat schon weitaus bessere Zeiten erlebt, 2006 gewann er Olympia-Silber, 2010 den Slalom-Weltcup. Hier, in Kitzbühel, stand vor einigen Jahren unweit des Zielgeländes noch ein mobiler „Herbst-Fanshop“, der Blick zurück gefällt: „Ich hatte eine gute Zeit.“

Herbst zeichnet in den kommenden Wochen die letzten Spuren in den Weltcup-Schnee, nach dieser Saison werden die Ski in den Keller gestellt. Manfred Pranger, Mario Matt, Benjamin Raich – viele seiner früheren Wegbegleiter haben den Schwung in die Ski-Pension schon vor ihm angetreten. Herbst sucht auch mit 37 Jahren immer noch die Herausforderung, wenngleich diese immer schwieriger zu bewältigen ist. „Ich halte mich seit zehn Jahren in den Top 30. Das ist brutal zach, macht mich aber schon stolz.“ Herbst hat etliche Fahrer kommen und gehen gesehen, er hat Fahrstile studiert, massenhaft Material getestet. Der gegenwärtige Slalomschwung, wie ihn etwa Henrik Kristoffersen praktiziert, sei einzigartig in der Geschichte. „Vor ein paar Jahren“, erinnert sich der Routinier, „war der Torabstand noch eineinhalb Meter weiter. Heute ist der Radius kürzer, du musst viel spritziger sein.“

Verschleißerscheinungen

Herbst kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, längst geben andere den Ton an. „Bei gewissen Passagen das letzte Hemd zu riskieren fällt mir immer schwerer. Für ganz vorne reicht es nicht mehr.“ Der Unkener hat seit Jugendtagen zigtausend Torstangen „geschluckt“, Verletzungen waren Teil des Geschäfts, Verschleißerscheinungen normal. „Mein Körper meldet sich nach jedem Training.“ Termine bei Heilpraktikern und Physiotherapeuten sind Gewohnheit, „anders geht es überhaupt nicht mehr.“

Mit Kitzbühel verbindet Reinfried Herbst zahllose Erfahrungen. Vor 15 Jahren fuhr er im Europacup erstmals wettkampfmäßig auf dem „Ganslern“, zur großen Liebesbeziehung mit dem Hang kam es jedoch nie. 2009 (Ausfall) und 2010 (26.) griff er als Halbzeit-Führender nach dem Sieg, der einzige Podestplatz datiert aus dem Jahr 2006 (2.). Auch diesmal wird sich der Traum vom Heimsieg nicht erfüllen, dafür bedarf es keiner hellseherischen Fähigkeiten. Herbst möchte auf seiner Abschiedstour „diese spezielle Kitz-Atmosphäre aufsaugen“, es gehe um Genussmomente, Freude am Skifahren. Noch ein letztes Mal wird sein Fanklub aus Unken ausrücken, in die Gamsstadt und zwei Tage später nach Schladming reisen, mächtig Stimmung machen.

Illusion und Optimismus

Der Gewinner von neun Weltcup-Slaloms wünscht sich am Sonntag einen rot-weiß-roten Sieger, „am Ende des Tages wird nichts anderes erwartet“. Die Rolle des großen heimischen Hoffnungsträgers füllt Marcel Hirscher seit Jahren gekonnt aus, aber was erwartet Herbst von sich selbst? Er hält kurz inne, schmunzelt. „Ich will schauen, was der Herbstl mit 37 Jahren noch schaffen kann . . .“

Der „Herbstl“ träumt von einer Top-fünf-Platzierung und bewegt sich damit zwischen Illusion und Optimismus. Doch manchmal, weiß er, hält der Sport Überraschungen parat, Teamkollege Klaus Kröll dient diesbezüglich als perfektes Beispiel. „Wer hätte gedacht, dass er in Wengen auf das Stockerl fährt? Auch ich hoffe auf einen Lucky Punch!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2016)

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