Der Flugsaurier durchbricht nächste Schallmauer

Noriaki Kasai
Noriaki Kasai(c) REUTERS (LEHTIKUVA)
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Noriaki Kasai, 43, absolviert am Wochenende in Titisee-Neustadt seine Weltcupbewerbe Nummer 499 und 500. Das japanische Urgestein mischt auch im Alter an der Weltspitze mit – und fliegt Olympia 2026 entgegen.

Titisee-Neustadt/Wien. Die Zeit vergeht für Noriaki Kasai wortwörtlich im Flug. Seit über 27 Jahren springt der Japaner im Weltcupzirkus mit, in seiner langen Karriere trotzt der 43-Jährige Alter, Wehwehchen und der Konkurrenz. Nun nimmt der „Flugsaurier“ die nächste Schallmauer ins Visier, in Titisee-Neustadt wird sich Kasai heute (13 Uhr, ORF eins) zum 499. und am Sonntag zum 500. Mal vom Bakken in die Tiefe stürzen. Für ihn ist es nur eine weitere Etappe. Er sagt: „Meine Lieblingszahl ist sechs. Ich möchte 600 Starts erreichen.“

Als Kasai am 17. Dezember 1988 beim Heimweltcup in Sapporo erstmals – freilich im Parallelstil – durch die Lüfte segelte, stand in Berlin noch die Mauer und seine heutigen Rivalen um den Sieg waren noch nicht geboren. Kein anderer Athlet hat derart viele Regel- und Materialänderungen durchgemacht, doch dank seiner Technik mischt der Firmenspringer eines Wohnbauunternehmens auch im fortgeschrittenen Alter weiterhin an der Spitze mit – in Wisla wurde er zuletzt Dritter.

17 Weltcupsiege, WM-Gold im Skifliegen 1992, drei Olympia- und sieben WM-Medaillen hat Kasai vorzuweisen, noch viel länger ist die Liste seiner Rekorde: zwölf WM- und sieben Olympia-Teilnahmen, ältester Olympia-Medaillengewinner (Silber und Team-Bronze Sotschi 2014), ältester Weltcupsieger und ältester Podestspringer. Sein Erfolgsrezept: „Ich denke nicht mehr daran, wie der nächste Sprung sein soll, ich springe einfach.“ Das Training beschränkt der Routinier auf ein Minimum, kennt er doch ohnehin jede Schanze längst in- und auswendig.

Ein weltbekannter Grinser

Über das Privatleben des zurückhaltenden Japaners, dessen einzige Gefühlsregung sein breiter Grinser zu sein scheint, ist nur wenig bekannt. Seine Mutter kam 1997 bei einem Brand ums Leben, die jüngere Schwester starb vor Kurzem. „Wenn ich daran denke, was meine Familie schon mitgemacht hat, ist das harte Training nichts dagegen“, hat Kasai einmal gesagt. Das eigene Familienglück hingegen ist spätestens seit der Geburt von Töchterchen Rino im Jänner komplett.

Nicht nur die Fans weltweit, auch die Kollegen hegen große Sympathien und Respekt für den „Schanzen-Opa“. Der Pole Kamil Stoch verneigte sich einst sogar auf dem Podest, als er Kasai 2014 um 1,3 Punkte Olympia-Gold wegschnappte. Den Traum vom Titelgewinn unter den fünf Ringen hat der Japaner aber nicht aufgegeben. 2018 und 2022 sind bereits fix eingeplant, selbst 2026 erscheint möglich, sollte Sapporo den Zuschlag erhalten. „Dann werde ich fast 54 sein, aber es wäre eine zu große Chance, um aufzugeben.“ (swi)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2016)

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