Ski alpin: „Niemand steht über dem Team“

Alexander Kilde ist einer der Entdeckungen von Christian Mitter. Der Super-G-Gesamtsieger der vergangenen Saison will heuer noch einen draufsetzen.
Alexander Kilde ist einer der Entdeckungen von Christian Mitter. Der Super-G-Gesamtsieger der vergangenen Saison will heuer noch einen draufsetzen.Reuters
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Norwegen dominierte zuletzt die Speedbewerbe. Chefcoach Christian Mitter spricht über Svindals Comeback, die Causa Kristoffersen und den Skifahrer des Jahrhunderts.

Die Presse: Nach seinem Sturz auf der Streif soll Aksel Lund Svindal in Val d'Isere (Super-G am Freitag, Abfahrt am Samstag) in den Weltcup zurückkehren.

Christian Mitter: Er wird die Trainingsläufe absolvieren und alles so vorbereiten, dass er Freitag und Samstag fahren kann. In Copper Mountain hatte er mit dem Team eine gute Vorbereitung. Er selbst sagt, er sei bereit für die Rennen, aber für einen Sieg eher nicht. Dass er schon wieder dort ist, wo er war, ist unwahrscheinlich. Aber bei solchen Ausnahmeathleten ist das immer schwer zu sagen.

Mit Kjetil Jansrud und Aleksander Aamodt Kilde haben Sie weitere Siegläufer am Start. Kann Jansrud noch einmal einen Winter wie 2014/15, er wurde Zweiter im Gesamtweltcup, hinlegen?

Der vergangene war auch nicht schlecht. Vor zwei Jahren hatte er sieben Siege, im Vorjahr vier. Also ohne Marcel Hirscher mehr als alle Österreicher zusammen. Und er hat in allen Disziplinen gewonnen: In der Abfahrt, im Super-G, im Riesentorlauf und in der Kombination. Daran sieht man, was für ein Skifahrer er ist.

Gibt es das norwegische Abfahrergen?

Diesen einen Abfahrer hatten wir nie. Aamodt, Kjus, Svindal und Jansrud sind alle vom Slalom und Riesentorlauf gekommen, Anfang, Mitte 20 sind dann die Speedbewerbe dazugekommen. Ihre Werdegänge und dass wir technisch so lang wie möglich ausbilden, sind Teil unserer Philosophie.

Diese Philosophie bescherte Norwegen in der Vorsaison 19 Siege. Eine einmalige Ausnahme?

Wir könnten gleich aufhören, wenn wir nicht glauben würden, dass es wieder möglich ist. Aber es ist schon unrealistisch. Damals haben sich mehrere Wellen richtig schön überlagert: Svindal in der besten Form seiner Karriere, Jansrud vorn mit dabei, Kilde mit seinem Durchbruch und Kristoffersen in einer Verfassung, in der es wirklich schwer war, ihn zu schlagen. Man darf nicht alles unter 19 Siegen als Enttäuschung sehen.

Gegen Hirscher war aber wieder nichts zu holen. Zum vierten Mal in Folge landete ein Norweger im Gesamtweltcup auf Platz zwei.

Sicher wollen auch wir einmal den Gesamtweltcup gewinnen, es ist auch super, dass wir vier Kandidaten haben. Aber wenn man sich Marcels Statistik, seine Punkte und Podestplatzierungen pro Start ansieht – momentan sieht man das wahrscheinlich nicht, aber in 20 Jahren wird man sagen: Das war der Skifahrer des Jahrhunderts. Wir hoffen jetzt aber nicht auf seine Formkrise, sondern wollen ihn fair schlagen. Natürlich muss auch die Rennverteilung fair sein.

Der Überhang an Technikrennen benachteiligt Ihre Athleten?

Die Situation ist, wie sie ist, wir müssen uns darauf einstellen. Im Riesentorlauf ist uns auch die Materialumstellung nicht zugutegekommen. Seither benötigt man so viel RTL-Training, das geht sich nicht mehr aus. Da sind wir von der Speedseite noch die Einzigen, die halbwegs mithalten können. Hermann Maiers Zeiten, als RTL, Super-G und Abfahrt ein Paket waren, sind vorbei.

Henrik Kristoffersen will einen Individualsponsor, hat den Verband geklagt und auf Levi verzichtet. Ist eine Lösung in Sicht?

Am Donnerstag ist er zu einem Gespräch mit unserem Sportdirektor und mir in Val d'Isere. Einige Sachen müssen sich ändern. Nach dem Levi-Slalom hat es Auflagen gegeben, bis jetzt wurden sie erfüllt, momentan schaut es ganz gut aus.

Viele Topathleten im Weltcup genießen Sonderbehandlung, Marcel Hirscher sieht darin sogar eine Voraussetzung für Erfolg.

Wir haben zehn Athleten im Weltcup in drei Gruppen. Wir ziehen also niemanden hinten nach, der uns zurückhält. Zusammen besser zu werden ist unsere Grundeinstellung. In einem Einzelsport muss man das Training natürlich individuell anpassen. Aber nicht Extrawürste drehen. Gemeinsam sind wir stärker, kein Individuum ist größer als das Team.

Kristoffersen wähnt sich im Nachteil gegenüber Hirscher.

Wir haben immer ein starkes Team gestellt. Ich glaube, für nachhaltigen Erfolg ist das der bessere Weg. Natürlich hat Marcel sehr viel gewonnen, aber als einziger Österreicher. Am Ende auch den Gesamtweltcup, aber für eine Skination hing das an einem dünnen Faden.

ZUR PERSON

Christian Mitter, 36, ist seit 2007 Trainer in Norwegen und seit zwei Jahren Chefcoach der alpinen Herrenmannschaft.
Gleich in seiner ersten Saison als Herrenchef haben Aksel Lund Svindal und Co. mit 19 Saisonsiegen eine neue norwegische Bestmarke aufgestellt.

Mitter stammt aus Ramsau, lebte in Oslo, spricht fließend Norwegisch, ist aber mittlerweile ins schwedische Östersund, die Heimatstadt seiner Lebensgefährtin, gezogen. Er hat eine acht Monate alte Tochter.

Sein Vater, Wolfgang Mitter, war OK-Chef der Nordischen WM 1999 und Alpinkoordinator des russischen Verbandes. Bruder Mark Mitter ist im Team von Marcel Hirscher engagiert, Andreas Mitter ist Cheftrainer der finnischen Skispringer. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2016)

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