Comebacks im Sport: Die hohe Kunst der Rückkehr

Nach über einem Jahr Pause stellt sich Gregor Schlierenzauer wieder dem Wettkampf. „Es ist ein Neustart und von dem her etwas ganz Besonderes.“
Nach über einem Jahr Pause stellt sich Gregor Schlierenzauer wieder dem Wettkampf. „Es ist ein Neustart und von dem her etwas ganz Besonderes.“GEPA pictures
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Ob Schlierenzauer, Svindal, Veith, Vonn: Nicht jedem Star gelingt das Comeback. Warum sie nicht aufhören wollen, Kritik bedeutungslos und Geld immer der falsche Antrieb ist.

Schwere Verletzungen gehören zum Geschäft wie die Siegesfeier. Sie sind freilich keineswegs erbaulich, für viele bedeutet ein Kreuzbandriss, Arm- oder Beinbruch monatelanges Zusehen. Es ist ein Zaudern, Hinterfragen, Zögern. Dazwischen warten, wenn man den Comebackversuch startet, Stunden in der Fitnesskammer, in diversen Reha-Zentren. Es sind Fahrten, in denen es keineswegs mehr von Bedeutung ist, wie schnell man ins Ziel kommt, sondern die Tatsache überwiegt, dass die Behandlung anschlägt, der Schmerz verschwindet, die Bewegung gelingt. Von einem Rennen ist da noch keine Rede.

Wenn sich Profisportler verletzen, wird es still um sie. Dann aber kristallisiert sich ihre wahre Größe heraus: Dann zeigen sie, dass sie härter im Nehmen sind als andere (glauben) wollen. Kehren sie aber in ihre Berufswelt zurück, stehen sie prompt wieder im Rampenlicht. Dann plagt Ausnahmekönner sofort das schier unsägliche Begehr des Erfolges.


Nicht jeder ein Hermann Maier. Nicht, dass der eigene Antrieb eines Profisportlers keinerlei Ängste hervorruft, wenn er, weder um Form noch Geschick Bescheid wissend, zurückkehrt. Es ist die so unerhört hohe Erwartungshaltung der Szene, Fans, Medien, mit der sich Stars wie Anna Veith, Lindsey Vonn, Julia Mancuso, Aksel Lund Svindal oder der Skispringer Gregor Schlierenzauer auseinandersetzen. Nicht jedem gelingt die „Mutter aller Comebacks“ wie einst Hermann Maier. Schlierenzauer hatte im ersten Versuch Pech, verpasste in Wisla als 31. hauchdünn den zweiten Durchgang.

„Es ist doch vollkommen normal, wenn es nicht gleich auf Anhieb wieder so toll läuft wie zuvor“, erklärt der ehemalige Skispringer und zweimalige Tourneesieger Hubert Neuper, der nun als Manager von Gregor Schlierenzauer auftritt. Verletzungen, Tiefs, Auszeiten, Rückschläge, Sinnkrisen, Enttäuschungen – es sind Begriffe, die Neuper gut kennt, dagegen aber keinerlei Rezept ausstellt. Diesen Weg müsse jeder Athlet allein gehen. Er oder sie fahre, springe, sagt Neuper, der sich als Begleiter versteht. „Schlierenzauer soll nicht mein Leben leben, sondern seines. Dazu gehören eigene Entscheidungen, das eigene Wollen, das Können.“


Die Schulterklopfer. Erst müsse man sich dem Unangenehmen stellen, also Fehler und Schwächen eliminieren. Dann die Rahmenbedingungen abstecken, mental bereit werden, körperliche Fitness erreichen – „und danach alles daran setzen, um wieder dorthin zu gelangen, wo man hin will“. Wem das gelinge, so Neuper, der vollziehe eine Transformation, blieben sportliche Erfolge aus, sei man „trotzdem ein großartiger Mensch. Es ist und bleibt eine fantastische Leistung“. Man habe es zumindest probiert, ungeachtet aller Einflüsterer, der in Österreich notorisch in allen Schichten harrenden Schulterklopfer, der Besserwisser.

Auch habe, auf diese Festellung legte Neuper gesondert Wert, keiner das Recht, über den Star zu urteilen, dem das Comeback vollends misslingt. Athleten darauf hinzuweisen, dass es womöglich sinnlos sei oder ihnen – bei den ÖSV-Damen ist dieses Szenario laut einer Aussage von Peter Schröcksnadel in Richtung Michaela Kirchgasser derzeit aktuell –, den Rücktritt nahezulegen, dem kann Neuper nichts abgewinnen. Und egal, was nun mit Schlierenzauer passiere: „Wer wird ihm denn böse sein, wenn er verliert, es nicht schafft? Sportler auf diesem Niveau haben nichts zu verlieren, das ist die Wahrheit. Einen Ruf oder Mythos schon gar nicht.“ Man müsse seinen Weg gehen, der Überzeugung folgen, Begeisterung zeigen, Spaß haben, dabei aber keineswegs falschen Motiven folgen. Es sind die üblichen Ansätze: Geld, Macht, Anerkennung, Neuper spricht es gelassen aus: „Was andere sagen, ist bedeutungslos.“


Wäre Lauda ausgestiegen? Hätten sich der Basketballer Michael Jordan, die Formel-1-Legenden Niki Lauda und Michael Schumacher oder Box-Champion George Foreman ihre Comebacks ausreden lassen? Haben sie, ungeachtet von Siegen oder miserablen Auftritten, an Glanz verloren? Wolle man auf Bode Miller warten oder ihn verteufeln, sein Können hinterfragen wie das verzweifelt anmutende Mitspringen des Finnen Janne Ahonen? Warum muss ein Kombinierer wie Hannu Manninen, seit fünf Jahren im Ruhestand und als Linienpilot bei Finnair unterwegs, wegen der nahenden Heim-WM in Lahti wieder anfangen? Für die einen mag es wie ein Zwang oder eine fehlende Aufgabe aussehen, für diejenigen, die es machen, „ist es der Sinn ihres Lebens. Das muss man bitte respektieren“. Gleiches gelte auch für Events, die an der Kippe stehen wegen Finanzierungen und „Compliance-Hürden“, sagt Neuper und spricht sein Skifliegen auf dem Kulm an, mit der Ungewissheit, ob in Bad Mitterndorf je wieder geflogen wird.

Rekordsieger, Typen in der Größenordnung von Vonn und Schlierenzauer, müssten Lust verspüren, die Inspiration wirken lassen, „ob sie 87 oder 100 Siege schaffen, ist wirklich wurscht. Und wenn nicht, ebenso. Es sind Menschen, keine Maschinen“, wirft Neuper ein. Sie sind aber härter im Nehmen als andere, und noch härter zu sich selbst, wenn es darum geht, mit Fleiß, Engagement und Hingabe zu arbeiten. Als Zuschauer sei man eingeladen, das Spektakel zu verfolgen. Nur eines dürfe man nie tun: die Motive verurteilen, sollten Erfolge ausbleiben.

NEUSTART

Hubert Neuper tritt seit Sommer als Manager von Gregor Schlierenzauer auf. Der Steirer, 56, einst selbst Skispringer, Tourneesieger, Kulm-Organisator und gern Zankapfel der Nation, will dem Tiroler „helfen“. Schaffen müsse er es aber allein.

Comebacks in der Welt des Sports gibt es sonder Zahl, aber nicht jedes ist von Erfolg gekrönt. Die eindrucksvollsten Comebacks feierten etwa Niki Lauda in der Formel 1, Hermann Maier im Skiweltcup.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2017)

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