Doping in Russland: Der Kronzeuge am Telefon

Viktor Ahn gewann in Sotschi dreimal Gold.
Viktor Ahn gewann in Sotschi dreimal Gold.(c) APA/AFP/ANTONIN THUILLIER
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Grigori Rodschenkow, zentrale Figur im russischen Staatsdoping, sagte vor dem CAS aus. Zudem erhielten Shorttracker Viktor Ahn, Biathlet Anton Schipulin und Langläufer Sergej Ustjugow keine IOC-Einladung für Pyeongchang.

Lausanne/Wien. Ein seltenes Lebenszeichen gab es von Grigori Rodschenkow. Der 59-Jährige leitete bis 2015 das Moskauer Dopinglabor, auf seine Aussagen baute der Report von Sonderermittler Richard McLaren, der das russische Staatsdopingsystem dokumentierte. Als Kronzeuge sagte Rodschenkow nun am Montag vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne aus – per Telefon, denn sein Gesicht zeigt er nicht mehr öffentlich.

Im Jänner 2016 flüchtete Rodschenkow Hals über Kopf in die USA, seither versteckt er sich an einem geheimen Ort, nicht einmal seine Familie weiß, wo er sich aufhält. Er fürchtet um sein Leben, denn in seiner Heimat gilt er als „Staatsfeind Nummer 1“. „Er ist sich im Klaren, dass er weit oben – vielleicht sogar an der Spitze – der russischen Todesliste geführt wird“, erklärte Rodschenkows Anwalt Jim Walden, der den Aufenthaltsort seines Klienten ebenfalls nicht kennen will.

Als die Welt-Antidoping-Agentur Russland im November 2015 vorwarf, mehr als 1400 Proben vernichtet zu haben, musste Rodschenkow seinen Posten als Laborleiter räumen. Als er sich in Russland nicht mehr sicher fühlte, wechselte er die Seiten und legte als Kronzeuge ein umfassendes Geständnis ab. Nach eigenem Bekenntnis hat der promovierte Chemiker ein verdecktes Programm zur verbotenen Leistungssteigerung bei russischen Sportlern gesteuert. Jahrelang experimentierte er mit Dopingsubstanzen, wovon die Athleten nichtzuletzt bei den Olympischen Spielen in der Heimat profitierten: Mit 33 Medaillen war Russland 2014 in Sotschi die erfolgreichste Nation.

Vier Stunden lang dauerte die Anhörung, berichtete ein CAS-Sprecher, mit der Rodschenkow die Schuld der 39 lebenslang für Olympia gesperrten russischen Athleten untermauern will. Angeführt von Langläufer Alexander Legkow, dessen 50-km-Gold aus Sotschi inzwischen aberkannt ist, kämpfen sie in Lausanne um ihre letzte Olympiachance, die Urteile sollen bis 2. Februar fallen.

In Pyeongchang sind lediglich unbelastete russische Athleten „unter strikten Konditionen“ und unter neutraler Flagge willkommen, diese werden vom Internationalen Olympische Komitee (IOC) aus einem Pool von etwa 500 Sportlern ausgesiebt. 111 Namen wurden von der Liste bereits gestrichen – darunter auch drei prominente, wie am Dienstag bekannt wurde: Shorttracker Viktor Ahn, 2014 dreifacher Goldmedaillengewinner, Biathlon-Staffelolympiasieger Anton Schipulin sowie Langlauf-Doppelweltmeister Sergej Ustjugow erhielten vom IOC keine Einladung für Südkorea.

Stanislaw Posdnjakow, Vizepräsident des russischen Komitees, bedauerte den Schritt des IOC: „Die vielen Proben, die sie im Lauf ihrer Karriere abgegeben haben, belegen, dass sie saubere Athleten sind.“ (red)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2018)

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