Arbeits- oder Freizeitunfall? Skispringer Lukas Müller im Rechtsstreit mit dem ÖSV

Archivbild: Lukas Müller, aufgenommen im Rahmen eines Photoshootings am Kulm im Jänner 2018
Archivbild: Lukas Müller, aufgenommen im Rahmen eines Photoshootings am Kulm im Jänner 2018(c) imago/Eibner (EIBNER/EXPA/Juergen_Feichter)
  • Drucken

Seit Lukas Müller, 26, vor drei Jahren als Vorspringer beim Skifliegen am Kulm zu Sturz kam, kämpft der Kärntner mit einem inkompletten Querschnitt – und auch um sein Recht.

Irgendwann will ich einmal sagen können: Mein Unfall hat mir für mein Leben mehr gebracht, als wenn er nicht passiert wäre." Ein mutiger Satz des ehemals hoffnungsvollen Skispringers Lukas Müller, Junioren-Weltmeister 2009, der seit einem fatalen Sturz beim Skifliegen am Kulm am 13. Jänner 2016 im Rollstuhl sitzt. Der 26-jährige Kärntner hätte Teil der aktuellen WM-Mannschaft sein können, die sich dieser Tage auf den Saisonhöhepunkt in Seefeld und Innsbruck vorbereitet, zuschauen wird er dort jedenfalls. "Das schmerzt nicht, ich leide eher mit meinen ehemaligen Kollegen mit, wenn es bei ihnen sportlich nicht läuft."

Er selbst läuft nicht mehr, zumindest aber geht er einige Schritte – mit Krücken. Und mit dem Temperaturgefühl hapert es, brustabwärts spürt er keine Temperatur. Ein inkompletter Querschnitt nach dem  verhängnisvollen Zwischenfall auf der steirischen Flugschanze. Die Folgen hatten ihn und auch sein Umfeld auf eine harte Probe stellt. Das kostet Nerven, Geduld und Geld, auch Auto- und Wohnungsumbau wollen für das neue Leben finanziert werden. Aber hier spießt sich seit geraumer Zeit die Rechtsmeinung: Denn während der Österreichische Skiverband als Veranstalter des verhängnisvollen Skiflugweltcups der Meinung ist, der Sturz sei als Freizeitunfall einzuordnen, geht Lukas Müller von einem Arbeitsunfall aus. Seine Argumentation: Der ÖSV habe über eine seiner Tochtergesellschaften Gehälter ausbezahlt.

600 Euro für eine Woche

Auch wenn nie etwas unterschrieben worden sei, gebe es nach Meinung seines Anwalts Andreas Ermacora weitere Anhaltspunkte für ein Anstellungsverhältnis. Müller erhielt wie seine Vorspringer-Kollegen 100 Euro täglich, was in der Bewerbswoche 600 Euro ausmachte. "Das liegt über der Geringfügigkeitsgrenze", hielt der Jurist fest. Was den Innsbrucker in seiner Rechtsmeinung bestärkt: Sein Mandant sei auf Weisung des Rennleiters (die Jury besteht aus einem Technischen Delegierten, einem TD-Assistenten und dem Rennleiter, welcher aber vom ÖSV bestellt wird) im Einsatz gewesen, die Betriebsmittel wie Schanze, Präparierung, Containerdorf etc. seien bereitgestellt worden. Und nicht zu vergessen: "Die Startnummer dokumentiert, dass er maßgeblicher Teil der Veranstaltung war, die ohne Vorspringer nicht hätte stattfinden können." Das Gehalt habe Lukas Müller mit fast siebenmonatiger Verspätung erhalten – sogar 600 Euro, obwohl er nur zwei Tage im Einsatz war.

Einspruch des ÖSV

Der Antrag Lukas Müllers um Unterstützung von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt AUVA im Februar 2016 avancierte zum Slalomlauf: Erst wurde dem stattgegeben, ehe der Einspruch des Österreichischen Skiverbands erfolgte. Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Einspruch des ÖSV stattgegeben, jedoch ausdrücklich eine Revision zugelassen. Der Kärntner wurde seinerseits aktiv, seit seiner Revision im Dezember 2018 wartet Lukas Müller. Und aus der persönlichen Mission wurde eine für die heimische Spitzensportöffentlichkeit, für seine Ex-Sportkollegen und Nachfolger in allen Bereichen des Sports. Komplexe Fragen tauchen auf: "Wie sieht es bei Kaderathleten aus? Handelt es sich um eine Dienstleistung oder verdienen sie selbstständig Geld?"

Als Bundesheer- oder Polizeisportler sei das geregelt – wie im Fall von Stabhochspringerin Kira Grünberg (Arbeitsunfall im Training). Peter Schröcksnadel, der Präsident des Österreichischen Skiverbands, gab sich auf Anfrage neutral: "Es kann von uns keine Aussage dazu geben, weil es sich um ein schwebendes Verfahren handelt. Was herauskommt, das gilt auf jeden Fall. Sollte das allerdings umgesetzt werden, muss man für Vorspringer und Vorläufer alles neu regeln." Eine Lawine, die das System grundsätzlich umstellen und auch andere Verbände erreichen könnte.

Lukas Müller kostet das Vorgehen Nerven und Geld. Die Therapiekosten im fünfstelligen Bereich (seit drei Jahren) würden nur zum Teil von einer Unfallversicherung übernommen. "Die Situation ist belastend, du hängst dauernd in der Luft. Für mich ist ein Rollstuhl um 5000 Euro das, was für andere Schuhe sind." Und das Leben wird nicht billiger: "Ich habe den Querschnitt auch in 60 Jahren noch, da wird das noch wichtiger."

Zeit ins neue Leben stecken

Noch braucht es wohl vier bis sechs Monate, ehe eine Beantwortung der Revision erfolgen wird. Zeit, die der selbstständige Vermögensberater in seinen Beruf und sein neues Leben stecken will. Und das Leben geht weiter, vor Höhenflügen ist man genauso wenig gefeit wie vor Tiefschlägen. "Bei einem Autounfall im vergangenen Sommer mit Totalschaden wurde mir einmal mehr vor Augen gehalten, dass ich nicht unverwundbar bin. Mich hat jemand an die Leitschiene gedrängt, weil er aufs Handy geschaut hat. Ich hatte Glück."

Seine Erkenntnisse aus solchen Momenten: "Jede Situation hat etwas Positives an sich, auch wenn man das mitunter suchen muss." Das gilt für sein Leben und die Rechtsmeinung, die er für sich und andere Sportler auszufechten gedenkt. Und vielleicht kommt er dann eines Tages zum Schluss: "Mein Unfall hat mir für mein Leben mehr gebracht, als wenn er nicht passiert wäre."

(madl/TT)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.