Vierschanzentournee: Millionenjackpot als Marketing-Gag

Andres Kofler bei einem Trainingssprung am Donnerstag ion Oberstdorf
Andres Kofler bei einem Trainingssprung am Donnerstag ion Oberstdorf(c) EPA (Andreas Gebert)
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Heute startet in Oberstdorf die Vierschanzentournee. Eine Million Schweizer Franken wartet auf denjenigen, der Sven Hannawalds "Grand Slam" bei der 60. Jubiläumsauflage wiederholt.

Oberstdorf. Wer wird Millionär? Diese Frage beschäftigt den Skisprungzirkus vor dem heutigen Auftakt der Vierschanzentournee in Oberstdorf. Der Veranstalter hat in Kooperation mit einer Versicherung eine Million Franken (820.000 Euro) für den denjenigen ausgelobt, dem es bei der 60. Auflage des Klassikers gelingt, alle vier Stationen als Sieger zu verlassen. Diese Summe ist verlockend, sie hat allerdings einen Haken. In der Historie ist nur Sven Hannawald 2002 der „Grand Slam“ gelungen. Und die Chance auf Wiederholung ist äußerst gering.

Es ist kaum verwunderlich, dass selbst potenzielle Anwärter wie Thomas Morgenstern oder Gregor Schlierenzauer diesen Jackpot eher als Marketing-Gag einstufen. Schlierenzauer nannte es diplomatisch eine „kluge Versicherung“, Morgenstern hingegen wollte sich damit überhaupt nicht beschäftigen. „Darüber denke ich erst nach, wenn ich in Oberstdorf, Garmisch und Innsbruck gewonnen habe und Halbzeitführender in Bischofshofen bin...“

>> Tournee: Das Programm und die Schanzen„Tour de Ski“ contra Tournee

Ungeachtet hoch dotierter Sponsorenverträge, die den Topstars ohnehin einen luxuriösen Lebensstandard garantieren, weht ein Hauch von Neid durch die nordische Sportwelt. Die Missgunst flammt zum sechsten Mal in Serie auf, denn parallel zur Tournee beginnt die mit 590.000 Euro dotierte „Tour de Ski“ der Langläufer. Der Gesamtsieger, in der Loipe werden Damen und Herren gleich entlohnt, darf sich nach neun Rennen über 82.000 Euro freuen. Der Sieger der Vierschanzentournee erhält 16.000 Euro. Das seit Jahren übliche Siegerauto hat ausgedient.

Ist ein Sieg im Langlaufweltcup 12.800 Euro wert, verdienen Skispringer pro Sieg 8000 Euro. Eine stattliche Summe für zwei Sprünge im Vergleich mit zig Loipenkilometern, doch die Tatsache, dass es vor wenigen Jahren noch 19.000 Euro waren, verursacht bei manchem weiterhin Unbehagen. Nicht jeder Star ist mit dem von FIS-Direktor Walter Hofer umgesetzten Auszahlungsschema für die Top 30 eines Wettkampfes zufrieden. Auch der Blick zu den Biathleten offenbart einen Abstand. Im IBU-Weltcup sind Siege 10.000 Euro wert.

„Preisgeld gehört doch dazu“, sagt FIS-Langlaufdirektor Jürg Capol und kann sich einen Seitenhieb auf die Tournee nicht verkneifen. „Wenn es keines gibt, gibt es doch keine Weiterentwicklung.“ Dass der Jackpot für die Springer einen Anreiz darstellt, ist klar. Nur sei es „unwahrscheinlich“, dass er geknackt werde. „Da spielt für mich zu viel Glück mit“, sagt Capol, der nächste Saison der Loipe den Rücken kehren und Direktor der „FIS-Marketing-AG“ wird. Dann ist der Weltverband wieder im Besitz der Skisprung-Marketingrechte und der Schweizer muss beweisen, dass er auch für die Schanzenwelt neue Geldquellen erschließen kann.

Von der Jackpot-Träumerei hält ÖSV-Cheftrainer Alexander Pointner gar nichts. „Die Idee ist gut. Aber Geld springt nicht“, sagt er. Schon nach dem Neujahrsspringen könnte der Traum zerplatzt sein. Eine Millionenshow sei eben kein Wunschkonzert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2011)

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