Sicherheit: Die Leibwächter der Skistars

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Die WM-Pisten von Schladming wurden über 45 Kilometer mit Netzen und Zäunen versehen. Vor festen Hindernissen wachen aufblasbare Air-Module. Die Wucht des Aufpralls stellt bei Stürzen die größte Gefahr dar.

Schladming/Wien/Fin. Die Ski-WM in Schladming wird nicht nur von Siegen oder Niederlagen geprägt, sondern auch vom hohen Risiko, das die Läufer bei jedem Bewerb eingehen müssen. Es gibt Stürze, etwa der von Lindsey Vonn, bei dem ernsthafte Verletzungen passieren. Doch zumeist verhindern Netze, Zäune und neuerdings auch eigene Airbags Schlimmeres.

Das Equipment, das auch von Auto- und Motorradfahrern geschätzt wird, stellt bei der Ski-WM die Kärntner Firma Alpina. Das Unternehmen in Steindorf am Ossiacher See bringt seine Errungenschaften seit 30 Jahren zum Einsatz. „Das Ziel muss sein, höchste Sicherheit zu gewährleisten. Egal, ob ein Motorrad- oder Skirennfahrer gegen ein Hindernis prallt: Wir fangen sie auf“, sagt Wintersportleiter Ingo Hopfgartner.

Drei Schutzvorkehrungen

Für die Absicherung der Pisten sind drei Systeme notwendig: A-Netze, B-Zäune und sogenannte Air-Module, die auf Druckluftbasis funktionieren und vor festen Hindernissen platziert werden. Damit soll gewährleistet sein, dass nach dem Sturz eines Läufers die Aufprallenergie so abgeleitet und abgebaut wird, dass dieser möglichst unversehrt davonkommt. Dennoch, sagt Hopfgartner, ein Restrisiko bleibe immer.

Die Wucht der Aufprälle ist bei Skirennen enorm. Die Läufer sind in dünnen Rennanzügen bis auf Helm und Rückenprotektoren praktisch ungeschützt unterwegs. Abfahrer erreichen Spitzengeschwindigkeiten, in Wengen wurde mit 161,9 km/h sogar neuer Rekord aufgestellt. Bei einem Sturz sind die Folgen unabsehbar, laut Hopfgartner ist das aber nicht ausschließlich der Geschwindigkeit geschuldet. „Stürzt ein 80 Kilogramm schwerer Fahrer bei 100 km/h, erzeugt das bereits eine Energie von 3,8 Tonnen...“

Versuchskaninchen?

Deshalb müssen Sicherheitssysteme in der Lage sein, über längstens vier bis sechs Meter den Körper des Gestürzten abzubremsen. Das geht vor allem durch Dehnung bzw. Umleitung der Energie.

Die bis zu sechs Meter hohen, auf flexiblen Metallmasten gespannten A-Netze wachen an besonders exponierten Stellen ohne dahinter liegende Sturzräume. Die imprägnierten Polyethylennetze schaffen diese Vorgaben durch ihre Zickzackverspannung, welche die Aufprallwucht absorbiert. Wo mehr Auslaufzonen zur Verfügung stehen, bremsen zwei Meter hohe und in Zweier- oder Dreierreihen errichtete B-Netze den Gestürzten nach und nach ab.

Das Know-how erlangte Alpina auch aus Testläufen und Untersuchungen, die mit Crash-Dummys durchgeführt wurden. Aber auch aus dem Motorsport beziehen Firmen oder die Weltverbände für Ski und Automobil ihr Wissen: Motorsportler sind die „Versuchskaninchen“ der Industrie. ABS, Airbag oder Servolenkung wurden zuerst in der Rallye-WM getestet, ehe sie den Weg in den Alltags-Pkw fanden. Auf der Piste verläuft es ungleich leichter – die richtige Montage der Netze und die Kennzeichnung der Schwierigkeitsgrade einzelner Pisten verhindern laut Hopfgartner etliche Unfälle.

Auch die blaue Markierfarbe, die Orientierung und Fahrtrichtung leichter sichtbar macht, stellt Alpina. Tannenreisig hat längst ausgedient. Den entscheidenden Tipp, verrät Hopfgartner, bekam man von einem im Winter arbeitslosen Golf-Greenkeeper.

Drei bis vier Tage benötigten die Sicherheitsleute, um die WM-Strecken auf der Planai sicher zu gestalten. Dafür wurden inklusive der Trainingsstrecken 170 Air-Module (1300 Laufmeter), 33 Kilometer der mittels Paletten in 14 Sattelschleppern auf den Berg gebrachten B-Netze, zwölf Kilometer Absperrzäune und fünf bis sieben Kilometer A-Netze fixiert.

Das Warten auf den Airbag

Aber auch an einem ganz anderen Projekt zeigt der Internationale Skiverband gesondert Interesse. Sportartikelhersteller Dainese plant den „intelligenten Schutz“ für Rennläufer – den Ski-Airbag.

Seit dem Sturz von Hans Grugger in Kitzbühel beschäftigt sich die italienische Firma mit dieser Thematik. Bei 160 Abfahrten wurden Daten zur Optimierung eines Auslöse-Algorithmus gesammelt, bis zu den Winterspielen 2014 in Sotschi soll das System ausgreift sein und eingesetzt werden. Das System soll Stürze erkennen und den Airbag im richtigen Augenblick auslösen.

Eine weitere Testreihe betrifft den pneumatischen Teil des Airbags – die Gasgeneratoren und Luftsäcke. Der Luftsack wurde um den Brustkorb erweitert. Unklar ist nur noch die Form des zeitgerechten Aufblasens.

Auf einen Blick

Schladmings WM-Pisten wurden mit 170 Air-Modulen versehen. 33 Kilometer wurden mit B-Netzen, zwölf Kilometer mit Absperrzäunen und sieben Kilometer mit den fünf Meter hohen A-Netzen abgesperrt. 2000 Bohrlöcher wurden mit Karabinern verbunden, die Netze an insgesamt 178 Masten fixiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2013)

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