Reichelt holt Gold: "Hirnlos und doch mit Gefühl"

Bei der sogenannten Flower Ceremony kullterten bei Super-G-Weltmeister Hannes Reichelt (Mitte) die Tränen während der Bundeshymne.
Bei der sogenannten Flower Ceremony kullterten bei Super-G-Weltmeister Hannes Reichelt (Mitte) die Tränen während der Bundeshymne.(c) APA/EPA/JEAN-CHRISTOPHE BOTT (JEAN-CHRISTOPHE BOTT)
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Hannes Reichelt gewinnt Gold im WM-Super-G. Es ist der erste Titel des Salzburgers für den trotzdem "die Gesundheit vor jeder Medaille kommt".

Beaver Creek. Hannes Reichelt strahlte, doch wer die ersten Worten des Salzburgers nach dem turbulenten Super-G hörte, dem war klar, dass er das Erreichte nicht glauben wollte. Doch der 34-Jährige gewann Gold in 1:15,68 Minuten. Es ist Österreichs zweiter Sieg im zweiten Rennen der WM in Vail/Beaver Creek. Es ist Österreichs erstes Super-G-WM-Gold nach Stephan Eberharter in St. Moritz 2003.

Anna Fenninger hatte den Medaillenregen am Dienstag eröffnet, nun legte Reichelt am Donnerstag mit Gold nach. Er verwies Dustin Cook (+0,11 Sek.) – die Überraschung aus Ottawa, Kanada, der noch nie besser war in seiner Karriere als Zwölfter –, und den Franzosen Adrien Theaux (+0,24 Sek.) auf die Plätze. Matthias Mayer („Das zipft mich wirklich an“) und Kjetil Jansrud (NOR; Schulterverletzung) blieb nur der undankbare vierte Platz (je 0,27 Sek.).

Reichelt stand im Zielraum, er rechnete, zitterte und lachte, als er Cook ins Ziel rauschen sah und seine Sensation feiert. Vergessen waren da mit einem Schlag alle Ängste nach dem Abfahrtstraining, die einen dunkelblauen Fleck nach einem Torfehler auf seinem Schienbein („Ist nicht gewandert“) hinterlassen hatten. Auch das Bangen, ob er denn nun endlich seinen ersten Titel gewinnen würde, war schlagartig beendet, als die Top 30 im Ziel waren. „Es war ein tolles Rennen, jetzt bin ich total relaxed. Ich kann ohnehin nichts ändern. Ich hatte lange gegrübelt, fahre ich hirnlos oder doch mit Gefühl – es wurde letztlich ein super Mix.“

Befreiung mit Gold

Es war allerdings keine wirkliche Überraschung für Beobachter der Szene. Viele hatten zwar Jansrud auf der Rechnung, andere favorisierten heimlich das Medaillen-Märchen mit den Veteranen Bode Miller (schied nach einem Sturz und Zwischenbestzeit aus) und Aksel Lund Svindal (sensationell 6.; +0,37), die bei der WM ihr Comeback feierten. Doch schon die Super-G-Generalprobe im vergangenen Dezember endete mit einem Sieg des Salzburgers. Er kennt Beaver Creek, er liebt diesen Hang, diese Piste ist für ihn gewohntes Terrain. Reichelt, der drei seiner neun Weltcupsiege auf dieser Piste gefeiert hat, wirkte nach diesem WM-Rennen regelrecht befreit.
„Mir taugt es hier“, sagt der Sieger der Abfahrts-Klassiker in Kitzbühel und Wengen. „Diese Strecke ist einmalig, in ihr ist alles drinnen, was ein cooles Rennen haben muss. Es ist aber schon unbeschreiblich, den größten Druck machst dir ja immer selbst, nicht die Trainer, Medien oder irgendwer sonst – nur du selbst. Schön, dass ich's jetzt bei einem Großereignis geschafft habe.“

Seit Dezember 2001 kurvt der Zeitsoldat nunmehr schon im Weltcup, Silber bei der WM 2011 war bislang der Edelmetall-Höhepunkt. Die Winterspiele in Sotschi 2014 musste er aufgrund eines Bandscheibenvorfalls auslassen, für ihn war das ein enormer Rückschlag als frischer Kitz-Sieger, der erneut als Gold-Hoffnung gegolten hatte. Dem Event aber weint Reichelt keine Träne nach, er hat einen ganz anderen Zugang dazu. Für den Rennfahrer kommt weiterhin die Gesundheit vor jeder Medaille, er sagt: „Sotschi habe ich verpasst, ja, aber der Rücken hat damals eben nicht gepasst. Wichtiger ist, dass ich zurückgekommen bin, dass ich wieder gesund bin, keine Schmerzen mehr habe. Wir alle kennen doch viele andere Beispiele von sehr guten Fahrern, denen das nicht gelungen ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2015)

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