Mikaela Shiffrin: Goldschürferin am heimatlichen Eagle River

ALPINE SKIING - FIS Ski WC Vail/ Beaver Creek 2015
ALPINE SKIING - FIS Ski WC Vail/ Beaver Creek 2015(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Mario Kneisl)
  • Drucken

Mikaela Shiffrin soll Medaillenbilanz der Gastgeber aufpolieren. Neben Ted Ligety ist die 19-Jährige der letzte Trumpf des US-Teams.

Beaver Creek/Wien. Der große Goldgräberboom, den sich die WM-Gastgeber erhofft hatten, ist am Eagle River in Beaver Creek und am Gore Creek in Vail bis dato ausgeblieben. Statt der Girls und Boys des US-Teams schürften indessen die Gäste aus Austria in den Rocky Mountains in Colorado emsig nach Gold, Silber und Bronze. Insbesondere Lindsey Vonn enttäuschte nach einem sensationellen Comeback die hochfliegenden Erwartungen der heimischen Sportfans auf der Raubvogelpiste in Beaver Creek. Bei der Heim-WM schlägt für den programmierten Superstar – zumindest aus US-Perspektive – lediglich eine Bronzemedaille zu Buche, und dies ist doch eine recht herbe Ernüchterung.

Noch ist die WM nicht zu Ende, und für die bald 20-jährige Mikaela Shiffrin, den letzten Trumpf des US-Damenteams, begann sie überhaupt erst in der Nacht auf Mittwoch mit dem Mannschaftsbewerb – freilich erneut mit einer Enttäuschung. Nach dem spektakulären Crash ihres „Leithammels“ Bode Miller stehen die Bewerbe für die Männer unter keinem sonderlich günstigen Stern, dabei ist Travis Ganong in der Abfahrt noch zu Silber gerast. Und bei den Damen ist der Erfolgsdruck womöglich doch zu groß, selbst für so coole Galionsfiguren und routinierte Medaillensammlerinnnen wie Vonn und Julia Mancuso.

Traumziel: Fünf Goldene

„Warum sollte ich Druck verspüren?“, fragt Mikaela Shiffrin frech, die bei der WM in ihrem eigenen Bett im Heim der Eltern in Eagle Vail schläft. Das Goldgirl, vielfach als Wunderkind, gar als „Mozart des Skisports“ gepriesen, hat in ihrer steilen Karriere bereits eiserne Nerven unter Beweis gestellt. Vor zwei Jahren bestätigte sie im Alter von 17 Jahren die Vorschusslorbeeren mit einem Slalomsieg bei der WM in Schladming, im Vorjahr kurvte der Teenager beim Slalom in Sotschi unbekümmert zu Olympia-Gold. Ihre große Stunde wird heute als Medaillenanwärterin im Riesenslalom, vor allem aber am Samstag als Top-Favoritin im Slalom, schlagen.

Im Erfolgsrausch rutschte dem zugleich selbstbewussten und dennoch eher zurückhaltenden Jungstar in Sotschi eine Ansage heraus, die zwar kein Hehl macht aus ihren Ambitionen, die sie jedoch anderntags schon bereuen sollte. Als Traumziel steckte sie sich in jener Nacht fünf Goldmedaillen bei Olympia, wie sie anno 1980 der US-Eisschnellläufer Eric Heiden in Lake Placid errungen hatte.

Ein Triumph im Gesamtweltcup ist vor diesem Hintergrund nur ein Etappenziel, und ihr Ex-Aequo-Sieg im Riesenslalom beim Weltcup-Auftakt in Sölden markierte zu Beginn der Saison einen ersten Schritt. Dass Medien ein Konkurrenzverhältnis zu Vonn konstruieren, empfindet die Technik-Spezialistin als geradezu lächerlich. Doch in den nächsten Jahren wird sie, so verriet Roland Pfeifer, der österreichische Coach der US-Damen, auch die schnellen Disziplinen forcieren – auch auf die Gefahr hin, ihren Vorsprung im Slalom und ihren schnellen Schwung einzubüßen.

Für die erstaunlich reife Shiffrin ist Slalom tatsächlich wie ein Tanz im Stangenwald, das Wegstoßen der Tore wie ein Beat, wie sie in Interviews bekundet. Ihr Credo bringt die US-Sportphilosophin auf den Punkt: „Ich fahre nicht Skirennen, um mitzufahren. Ich will gewinnen.“ Oder wie es ihr Teamkollege Steve Nyman einst formulierte: „You go big – or you go home.“ In der „Süddeutschen“ umschrieb sie jüngst den mechanisierten Ablauf beim Start: „Ich überlasse meinen Beinen und Skiern das Denken, die Instinkte übernehmen die Kontrolle.“

Die Eltern bestreiten, dass die Karriere ihrer Tochter einem Masterplan folge. Dabei verfrachteten sie die Achtjährige an die Ostküste, an die renommierte Burke Mountain Academy in Vermont. Vater Jeff, ein Arzt, hatte damals einen Job an seiner Stamm-Uni in Dartmouth angenommen. Und ihre Mutter Eileen, eine ehemalige College-Rennläuferin, ließ Mikaela an einem eisigen Hang trainieren, wo sie die klimatischen Bedingungen kennenlernte, wie sie meist auch in den Alpen herrschen – und nicht jener Champagne-Powder, der legendäre Pulverschnee der Rockies.

Die Shiffrins tüftelten ein Konzept für ihre Tochter aus: Sie nahm nicht an jedem Jugendrennen teil, sondern entwickelte ihren ureigenen Stil. Härten und Qualen gehörten zum Programm: das Training mit Besenstielen, das Tragen von Skischuhen schon im Herbst. In akribischen Videoanalysen versuchte sie, den Schwung Ted Ligetys zu kopieren und den ihres großen Idols, Marlies Schild. Als sie erstmals mit ihr auf dem Podium stand, outete sie sich dann – wie ein Teenager – prompt als Fan.

Aus eigener Tasche steckten die Shiffrins eine halbe Million Dollar in die Weltcup-Karriere ihrer Tochter, Mutter Eileen betreut sie als Lehrerin und Köchin – auch, wie sie gesteht, um die Minderjährige von „schlechten Einflüssen“, von Discos, Bars und Alkohol fernzuhalten. Im Winter beziehen sie in Tirol, in Längenfeld, ihr Hauptquartier.

ZUR PERSON

Mikaela Shiffrin. Die 19-jährige US-Amerikanerin aus Vail hat als Weltmeisterin und Olympiasiegerin im Slalom ihr Image als „Wunderkind“ längst bestätigt – und ihr Jugendidol, Marlies Schild, überholt. Nächstes Ziel der ambitionierten Arzttochter ist der Gesamtweltcup. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.