Marcel Hirscher, Meister des chronischen Understatements

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Marcel Hirscher behauptet, mit dem Gewinn einer Medaille schon zufrieden zu sein. Und er kokettiert erneut mit dem absehbaren Ende seiner Karriere. "Das könnte meine letzte WM sein."

Marcel Hirscher ist der beste Skifahrer der Gegenwart, ja sogar der vergangenen fünf Jahre. Gegenteilige Behauptungen entbehren jeder Logik, der Blick in die Geschichtsbücher respektive der Gesamtweltcupwertungen belegen diese Einschätzung. Der Salzburger konnte die Angriffe der Konkurrenz rund um Aksel Lund Svindal, Kjetil Jansrud, Alexis Pinturault oder Henrik Kristoffersen stets unterbinden, so wie es sich für einen Branchenprimus eben gehört. Seit einigen Tagen weilt Hirscher in St. Moritz, die Skiwelt sucht im Schweizer Hochgebirge ihre Weltmeister.

Der 27-Jährige ist, wie könnte es anders sein, einer der Anwärter auf diese Auszeichnung. Und weil Hirscher ein solch begnadeter Skifahrer ist, bieten ihm sich bei dieser Weltmeisterschaft gleich mehrere Medaillenchancen, es sind fünf an der Zahl. Neben seinen Paradedisziplinen Riesentorlauf und Slalom startet der Ausnahmekönner im Teambewerb, der Kombination und dem heutigen Super-G (12 Uhr, live in ORF 1).

Dem allgemeinen, zugegeben höchst optimistischem Tenor, Hirscher könne St. Moritz mit eben fünf Medaillen um dem Hals verlassen, kann der Atomic-Fahrer nichts abgewinnen. "Natürlich ist es möglich, aber eigentlich ist es unmöglich. Wie viele haben das geschafft?" Es waren zwei. Lasse Kjus in Vail 1999 (in allen Einzeldisziplinen) und Benjamin Raich in Bormio 2005 (Medaille im Teambewerb, keine in der Abfahrt). Die ultimative Herausforderung.

Das Ende naht

Die geringsten Chancen rechnet sich Hirscher im Super-G aus, wenngleich er auch in dieser Disziplin in Beaver Creek 2015 schon ein Weltcuprennen gewonnen hat. Dennoch, der ÖSV bot ihm einen WM-Startplatz an, Romed Baumann war der Leidtragende. Hirscher sagt: "Jede Startnummer, die ich bekomme, ziehe ich an."

Kurssetzer des Super-G ist der Italiener Alberto Ghidoni, der 54-Jährige hatte zuletzt auch den Super-G in Kitzbühel ausgeflaggt. Ghidoni, das wird allgemein erwartet, dürfte ein schnelles Rennen präferieren, nicht übertrieben viele Kurven einbauen. Das wiederum sollte den Italienern Dominik Paris und Peter Fill in die Karten spielen, Hirscher weniger. "Ich hoffe auf viele Kurven. Wenn es abfahrtsähnlich wird, dann ist das schlecht für mich."

Gewinnt Hirscher im Super-G keine Medaille, ist das freilich kein Malheur. Der Doppel-Weltmeister von Beaver Creek 2015 (Kombination, Mannschaft) möchte diese Weltmeisterschaft, so das denn überhaupt möglich ist, genießen, "es könnte die letzte sein, diesen Gedanken habe ich." Die Olympischen Spiele 2018 in Pyeongchang sind ein Fixpunkt, die WM 2019 in Åre längst nicht. "Marcel möchte nicht so aufhören wie Ivica Kostelic", erzählt Hirschers PR-Berater Stefan Illek der "Presse". Der Kroate Kostelic war erst vor wenigen Wochen mit 37 Jahren und von zwei Jahrzehnten im Weltcup körperlich schwer gezeichnet zurückgetreten.

Kann Hirscher mit einer Medaille zufrieden sein?

St. Moritz könnte also tatsächlich das vorletzte Großereignis für Hirscher sein. In Topform angereist, möchte man glauben, er rufe zumindest den Gewinn von einer Goldmedaille aus, aber Hirscher bleibt auch dieser Tage seiner Linie treu. Er betreibt fast schon chronisches Understatement, wenn er in regelmäßigen Abständen behauptet, Kristoffersen fahre im Slalom in eigener Liga und sei eigentlich nicht zu schlagen - und tut es dann doch. Oder wenn er in St. Moritz sagt: "Ich bin zufrieden, wenn ich mit einer Medaille heimgehe." Marcel Hirscher kann mit einer Bronzemedaille nicht zufrieden sein. Ansonsten wäre er nie zu dem geworden, was er heute ist: Der beste Skifahrer der Gegenwart.

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