Perfekter WM-Auftakt für Österreich: Nicole Schmidhofer siegte vor Tina Weirather und der Schweizer Lokalmatadorin Lara Gut. Titelverteidigerin Anna Veith schied aus.
Gleich das erste Rennen der Ski-Weltmeisterschaft in St. Moritz brachte eine Sensation. Die Steirerin Nicole Schmidhofer gewann den anspruchsvollen und kurvenreichen Super-G mit 0,33 Sekunden Vorsprung auf die Liechtensteinerin Tina Weirather. Dritte wurde Lokalmatadorin und Topfavoritin Lara Gut (+0,36 Sekunden).
Schmidhofer hatte an diesem ersten Wettkampftag im Schweizer Hochgebirge wirklich niemand ernsthaft zum Kreis der Goldanwärterinnen gezählt, aber Großereignisse haben bekanntlich eigene Gesetze. Die 27-Jährige stand im Weltcup bislang erst zwei Mal auf dem Podest, ein Sieg war ihr überhaupt noch nie geglückt. Schmidhofer reihte sich damit in die Riege jener österreichischer Ski-Asse ein, die bei einem Großereignis erstmals siegten und Gold gewannen.
Leonhard Stock triumphierte bei den Olympischen Spielen in Lake Placid 1980, sein erster Weltcupsieg stellte sich erst neun Jahre später ein. Stephan Eberharter wurde in Saalbach 1991 Doppelweltmeister in Super-G und Kombination, auch der Tiroler musste lange sieben Jahre auf seinen nächsten Erfolg (Riesentorlauf in Crans-Montana) warten. Und bei Olympia 2014 in Sotschi raste Matthias Mayer in der Abfahrt überraschend zu Gold, es folgten bislang vier Weltcupsiege.
Die Reaktion auf Rückschläge
Und Schmidhofer? Auch sie hofft nun auf weitere Sternstunden, schaffte in St. Moritz urplötzlich den Durchbruch, nachdem sie vor 13 Monaten in Cortina d'Ampezzo noch einen herben Rückschlag erlitten hatte. Damals wurde ihr ein Sprung zum Verhängnis, „das Knie ging kaputt, Kreuzband, Meniskus, alles.“ Nach acht Monaten mühsamer Reha kehrte sie im Dezember in Lake Louise wiedererstarkt in den Weltcupzirkus zurück: „Meine Kolleginnen meinten, ich würde jetzt besser Skifahren als vor der Verletzung.“
Sechs Top-10-Ergebnisse im laufenden Winter machten Mut, auch für die WM. Schmidhofer hatte sich insgeheim doch Medaillenchancen ausgerechnet, vor allem nach der Besichtigung des Kurses Dienstagvormittag. „Ich wusste, das könnte was für mich sein. Nicht zu schnell, nicht zu viele und weite Sprünge, aber technisch anspruchsvoll.“ Als im Zielraum die „Eins“ aufleuchtete, war das Staunen dann aber doch groß. „Drei Zehntel Vorsprung, obwohl Tina (Weirather, Anm.) und Lara (Gut) schon unten waren, das war dann doch überraschend.“
Es ist ein kleines Skimärchen, dass Schmidhofer, die von allen nur „Nici“ gerufen wird, in St. Moritz wie auch bei der Junioren-Weltmeisterschaft vor zehn Jahren (auch damals vor Weirather) wieder Gold gewann. Die Speed-Spezialistin hatte nach vielversprechenden Jahren als Jugendliche die hohen Ansprüche zu keinem Zeitpunkt erfüllen können, sie galt spätestens nach ihrer Eliminierung aus allen ÖSV-Kadern 2012 als gescheitert. „In diesem Moment ist eine Welt für mich zusammengebrochen.“ Die Möglichkeiten auf eine Rückkehr in den Weltcup hatte sie damals mit 50:50 beziffert.
Training als Weltmeisterin
Nach einem monatelangen, eigenständigen Konditionstraining schloss sie sich als Selbstzahlerin dem Europacupkader an, gute Trainingsleistungen ermöglichten ihr letztlich die Wiederaufnahme in den A-Kader. Jetzt ist Nicole Schmidhofer Super-G-Weltmeisterin. Wie das klingt? „Sehr cool“, sagte die Siegerin, „aber noch kann ich es nicht ganz glauben. Ich bin schon etwas länger nicht mehr ganz oben gestanden.“
Dienstagabend bekam Schmidhofer die Goldmedaille verliehen, sie ist der Lohn für Hartnäckigkeit und Glauben. Noch davor sagte sie: „Am Mittwoch geht das Leben ganz normal weiter, dann ist Abfahrtstraining.“
("Die Presse" Print-Ausgabe 08.02.2017)