Kraft: „Die Fans schreien, du bist oben – du fliegst“

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Skispringer Stefan Kraft, 25, sieht sich für das Event in Falun gewappnet. Erfolgsdruck ist ihm fremd, der Tourneesieg habe ihn abgehärtet – er hält aber Schlierenzauer für den Leader.

Die Presse: Mit dem Tourneesieg sorgten Sie schlagartig für Furore. Wie sehr hat Sie dieser Erfolg verändert?

Stefan Kraft: Für mich persönlich hat sich mit dem Tourneesieg nicht viel verändert. Ich bin der gleiche Mensch wie vorher, der gleiche Skispringer – und ich gehe mit allen anderen genauso um wie immer. Aber wenn man sieht, was ich da gewonnen habe, erfüllt es mich mit gehörigem Stolz. Vor allem, wenn du auf die Liste schaust, wer denn da noch so draufsteht. Es sind die Namen ganz großer Sportler. Das macht mich ungemein stolz.

Sie betonen den Umgang mit anderen. Ist das eine Anspielung darauf, dass Ihre Vorgänger abgehoben waren?

Das kann und will ich so nicht beantworten. Ich meinte, dass ich jetzt nicht mehr überall hingehen kann, ohne erkannt zu werden. Es passiert jedenfalls öfter, etwa im Kino. Im Vorjahr hat man mich nur angeschaut und gerätselt, ob ich es wirklich bin. Jetzt wird nachgefragt! Mir taugt es, ich spreche gern mit jedem. Und, man verwechselt mich nicht mehr mit Thomas Diethart...

Diethart wurde von Fotografen damals plakativ aufs Dach gesetzt. Gibt es keine Grenzen, machen Sportler bei allem mit?

Als Mensch und Athlet muss man irgendwo die Linie ziehen, man darf sich nicht zu sehr verbiegen. Ich werde nichts anders oder besonders machen, nur weil ich Erfolg habe. In dieser Hinsicht werde ich gut betreut, ich habe die Agentur Jumpandreach, sie schaut auf mich. Zudem haben wir beim ÖSV einen Pressechef. Er ist dahinter, dass kein Blödsinn passiert.

Was bedeutet Ruhm für Sie?

Ich genieße ihn, wirklich. Bis jetzt stört es mich in keiner Weise, bekannt zu sein. Dahoam ist es super, ich bin immer für Fotos bereit oder Autogramme – ich finde es schön. Es macht Spaß.

Skispringen sei Abenteuer im Kopf, wird behauptet. Wo wurzelt für Sie denn die Faszination?

Die Flugphase ist es, beim Absprung spürst du, ob es ein richtig guter oder ein schlechter Sprung ist. Zwei, drei Meter später, beim Vorbau, wenn's dich packt, merkst du es. Die Zuschauer schreien, du bist oben, fliegst. Dann willst du elegant den Telemark machen, mit breiter Brust landen! Du setzt ihn auch, vor Freunden, Fans und Familie – das ist der Wahnsinn.

Seriensieger werden mitunter angefeindet. Lance Armstrong gewann siebenmal die Tour de France, Michael Schumacher wurde siebenmal F1-Weltmeister – wie ist es beim Skispringen? Sie sind der siebente ÖSV-Tourneesieger in Serie...

...meist fragen doch immer unsere lieben deutschen Nachbarn, warum wir so gut sind bei der Tournee. Sie stört es am meisten, aber da können wir ja nichts dafür... Wir sind eben zu diesem Zeitpunkt immer in Topform. Nach der Tournee ist es nicht leicht, du kannst nicht immer gewinnen. Neider, Kritiker wird es immer geben. Sie gehören zum Geschäft wie Siege und Applaus.

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Nach Erfolgen kommt, nicht nur im Sport, zumeist ein Tief. Wie gehen Sie mit Niederlagen um?

Ich bin mit meiner Leistung bis jetzt extrem zufrieden. Ich komme zurecht, auch wenn nicht immer mit den Windpunkten herauskommt, wie es wirklich war. Ein Stockerlplatz ist schön, ein Sieg besser, man braucht auch Glück. Ich habe in dieser Weltcupsaison alle Bewerbe mitgemacht. Irgendwann kommt es halt vor, dass ein Sprung vollkommen in die Hos'n geht. Damit musst du leben. Daher hat mir die Pause im Weltcup jetzt auch gutgetan. Wir haben in Villach auf der Kleinschanze trainiert. Es war sehr gut.

Druck ist für Sie also weiterhin ein Fremdwort?

Es ist jetzt schon anders. Ich fahre aber lieber als Favorit irgendwohin und die Leute erwarten sich etwas als ich bin wieder nur so dabei. Mich hemmt nichts, ich bin durch die Tournee echt abgehärtet.

Es passt also, dass jetzt die nordische WM in Falun anhebt. Sind Sie der Leader im Adlerteam?

Wir haben im Team keinen Leader, diesen Stellenwert, diese Rolle sehe ich nicht. Zumindest empfinde ich es so. Und wenn, dann ist Gregor Schlierenzauer vom Alter, der Leistung und der Erfahrung her noch immer der Leader. Von ihm kann ich viel lernen. Aber ich, nein, das kommt auch nicht so rüber. So werde ich nicht behandelt – ich würde es auch nicht wollen. Es ist fein, wenn man weiß, dass man vorn mitmischen kann. Aber alle anderen wissen, was sie zu tun haben. Das muss ich ihnen nicht sagen oder vorzeigen.

Etwas vorzeigen wollen Sie vermutlich dennoch, Ihre erste WM-Medaille vielleicht.

Ja! Eine Medaille bei WM oder Olympia, die will ich gewinnen. Da bekomme ich Gänsehaut, wenn ich bemerke, dass ich mir eine umhängen kann. Im Team oder im Einzel, mir egal. Das ist Wahnsinn, war lang für mich nicht vorstellbar. Es war extrem hart, bei Olympia in Sotschi nicht dabei gewesen zu sein. Jetzt bekomme ich aber meine große Chance.

Als Bayern-Fan haben Sie es schwer, die K.-o.-Phase der Champions League beginnt alle zwei Jahre im Februar während der WM...

...gibt es in Schweden keinen Sender, der die Champions League zeigt? Wenn nicht, muss ich sofort einen Livestream finden.

Sie haben David Alaba getroffen, hält auch ein Tourneesieger vor seinem Idol den Atem an?

Alaba ist eine große Persönlichkeit. Er ist Österreichs bester Fußballer, mit ihm zu sprechen ist super. Er ist immer lustig, trotz des Erfolges am Boden geblieben, keineswegs abgehoben. Er ist für mich ein Vorbild, ist überall dabei, hat Erfolg, wirkt sympathisch – er ist super.

ZUR PERSON

Stefan Kraft (*13. Mai 1993 in Schwarzach) ist Skispringer. Der Pongauer gewann heuer als siebenter Österreicher in Serie die Vierschanzentournee. Er hat in dieser Saison zwei Weltcupsiege gefeiert und gilt deshalb als aussichtsreichster Medaillenanwärter bei der nordischen WM in Falun, Schweden.

Der Salzburger startet für SC Schwarzach, er ist seit seinem zehnten Lebensjahr vom Skispringen begeistert. Seit 6. Jänner 2013 ist er im Weltcup und im ÖSV-Team dabei, er lebt in Salzburg-Rif.

Das erste Springen findet am Freitag (17 Uhr) von der Normalschanze statt. Es folgen danach ein Mixed-Bewerb, das Springen von der Großschanze und der Teambewerb. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2015)

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