Der bessere Österreicher, täglich

Was haben tägliche Turnstunde, Eurofighter-Untersuchungsausschuss und Rapids Glaubenskrise gemeinsam? Das Üben.

ZeitLupe

Betrachten wir die Bemühungen um die tägliche Turnstunde in größerem Zusammenhang. Wie hängen sie mit der Glaubenskrise um Rapid oder dem bevorstehenden parlamentarischen Fegefeuer über mutmaßliche Korruption beim Erwerb von Kampfjets zusammen? Eine Erklärung ist, dass jede Erzählung von der Anstrengung handelt, einen betrüblichen Zustand durch Wahrheit, Fairness und Transparenz zu verbessern. Allen gemeinsam ist das Bildungsziel: ein insgesamt besserer Österreicher mit einem höheren Fitnessgrad. Politisch, moralisch, körperlich.

Die tägliche Turnstunde hat geringere Chancen auf Verwirklichung als beispielsweise die Klärung der Frage, wie viel Frank Stronachs Magna am Eurofighter-Kauf verdiente. Das hat weniger mit der Frau Bildungsministerin Claudia Schmied zu tun als mit der unzulänglichen Ausstattung des heimischen Schulsystems. Frau Schmied tut ja, was sie kann. Sie tut sogar mehr, indem sie verspricht, was sie weiß, nicht halten zu können, nämlich die tägliche Turnstunde in die Ganztagesschule zu implantieren.

In vielen Klassen und Schulen Österreichs wird von der täglichen Turnstunde bleiben, was schon da ist: unverbindliche Übungen wie gehabt, Arm- und Rumpfkreisen und Beineschleudern in der Pause oder schnell in Mathe- und Englischstunde. Turnsaal, Sportplatz, Lehrkraft oder Unterrichtseinheit für eine richtige Turnstunde fehlen in unzähligen Schulen. Aber die Frau Bundesminister und ihre Partei brauchen rasch eine frohe Botschaft für die Kinder und deren wahlberechtigte Eltern, also wird die zusätzliche Körperdressurplanstelle zugesagt. Die schweigende, immobile Mehrheit der Bevölkerung wird sich nicht beschweren, wenn sie (und ihre Kinder) schließlich weniger üben muss als befürchtet. Und die aktive, laute Minderheit freut sich über den ersehnten Befehl zur Mobilisierung.

Die Turnstunde ist der Slogan einer Zeit, die in vielfältiger Hinsicht vom ruhenden in den unruhigen Zustand übergeht. In der Diskussion über Unmäßigkeit und Anmaßung der Politiker hat die Journalistin Anneliese Rohrer sinngemäß gemeint, Korruption wie vor zehn, fünfzehn Jahren gehe heute nicht mehr. Setzt man Korruption mit Schlaffheit des moralischen Muskels in Analogie, so heißt es jetzt, den Muskeltonus zu erhöhen. Das geschieht auch. Die Republik befindet sich im Aufbautraining für eine neue, härtere Spielzeit. Möglicherweise hat Stronach das unterschätzt. Sein vom Magazin „Datum“ aufgedeckter zensurähnlicher Umgang mit Medien und die von „Profil“ gemeldete Ankündigung seines Teams, nur in „freundlich gesinnten“ Medien inserieren zu wollen, legt die Vermutung nahe, dass der alte Unternehmer der Härte und Schnelligkeit des polit-medialen Spiels nicht gewachsen ist.

Selbst das mit Dogmen und Heiligen gut abgesicherte Glaubenssystem Rapid leidet unter einer Abwehrschwäche gegen den Vorwurf des Werteverrats. Das kommt, analog zu Stronach, davon, wenn man sich zu sehr auf das Angebetetwerden („orare“) verlässt und das ehrliche Hackeln („laborare“) vernachlässigt. In Rapids Fall konnten schon törichte Pseudo-Analysen im Internet den Klerus (Funktionäre und Mannschaft) und die Gläubigen (Fans) von St. Hanappi in eine Glaubenskrise stürzen.

Zu Beginn der Adventzeit fällt Österreich der Tugend der Selbstbesinnung anheim. Sie wird durch stärkere Selbstdressur, vom Parlament bis zu Rapid, brauchbare Ergebnisse zeitigen. Stronach schafft es ins Parlament, zumindest in den kommenden U-Ausschuss. Und Rapid nimmt sich ein Beispiel an der Frau Bildungsminister, schiebt eine tägliche Turnstunde mehr ein und wieder hat die Koalition ein politisches Ziel abgearbeitet.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2012)

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