Der Fußballer-Malus – oder: Was kostet eine gebrochene Frauennase?

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Daniel Royer wurde in erster Instanz wegen Falschaussage zu 180.000 Euro Strafe verurteilt. Angemessen? Der Vergleich mit den Urteilen gegen Peter Westenthaler verunsichert.

Der Klimawandel scheint langsam ernst zu machen. Die Schließung des europäischen teil des Skiweltcups und der Wintersport-Industrie steht bevor. Die Identitätsmaschine kommt ins Stottern. Bleibt nur mehr die lauwarme Nordische Kombination, die besser eine Winterbekleidung geblieben wäre, als Sieger-Outfit? Der Fußball oder die Bundesregierung werden auf absehbare Zeit das Erfolgsloch auch nicht stopfen können. Die einen sind international nicht wettbewerbsfähig, die anderen sind international nicht wettbewerbsfähig.

Österreich laboriert neben der Unverträglichkeit der Welt freilich auch an der Unleidlichkeit mit sich selbst. In Kapfenberg hat sich mit Werner Gregoritsch der einzig nennenswerte gestaltende Wille vertschüsst und die Mannschaft wurde aufgegeben. (Das schönste Tor beim 0:6 gegen die Salzburger war das letzte. Stefan Maierhofer verschwurbelte in seiner ganzen Holzfüßigkeit wieder einmal den Ball und ein Kapfenberger, von solch ballesterischer Inkompetenz überrumpelt, bugsierte die Kugel ins eigene Goal.)

Die Dysbalance der Liga hat ihre Fortsetzung in der Dysfunktion der Justiz. Von Rücksicht auf den Promi-Status verdächtiger Politiker und Lobbyisten ist die Rede. Jetzt verdächtigt die Fußballer-Gewerkschaft ein Gericht, einem Kicker eine Art Promi-Malus umgehängt zu haben. Denn der bisher unbescholtene Fußballprofi Daniel Royer (Hannover 96) wurde in erster Instanz wegen Falschaussage, Verleumdung und versuchter Begünstigung eines ehemaligen Mitspielers zu einer Geldstrafe von 180.000 Euro verurteilt. (Royer legte Berufung ein.) Selbst für einen Fußballprofi ist das wohl ein Jahresgehalt.

Als er noch beim SV Ried spielte, besuchte Daniel Royer mit seinem Kollegen Mark Prettenthaler eine Disco. Prettenthaler soll in „fettem“ Zustand einer Dame, die keinen Wert auf seine Nähe legte, mit der Faust die Nase gebrochen haben. Prettenthaler, der jede Schuld von sich weist, wurde wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu 8400 Euro Geldstrafe verurteilt. Der Verein löste daraufhin umgehend den Vertrag mit dem Spieler auf.

Royer hatte auf Prettenthaler den ganzen Abend ein Auge, doch die Gerade habe er nicht mitbekommen, sagt er. Das ist doch eine interessante Gerechtigkeit, in der zwanzig gebrochene Frauennasen so viel kosten wie einmal lügen vor Gericht.

Peter Westenthaler erhielt für falsche – laut Gericht „vorsätzliche“ - Zeugenaussage eine bedingte Haftstrafe von sechs Monaten. Der BZÖ-Parlamentarier, der sich „völlig uneinsichtig“ zeigte, bezeichnete den Spruch als „Justizskandal“.

Man darf gar nicht weiterdenken, sonst wird man verwirrt. Ein Herr im Auto rammte einen Achtjährigen, der eben einen Zebrastreifen überquerte. Das Kind starb, der Lenker wurde zu einem Jahr Haft, davon neun Monate bedingt, verurteilt. Der Autofahrer legte Berufung ein, zeigte sich in der zweiten Instanz einsichtig und reuig. Er hatte am Morgen des Unfalls ein blutzuckersenkendes Medikament eingenommen, das ihn „schläfrig“ werden ließ. Der Bußfertige wurde zu 9000 Euro Strafe verdonnert. 2010 wurden in Österreich 14 Fußgänger und ein Radfahrer auf Schutzwegen von Autolenkern getötet. Die Anzahl der gebrochenen Frauennasen liegt im Dunklen.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2011)

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