Die Auster sucht eine Chefin

Die Nada könnte einer Frau überantwortet werden. Eher nicht Bandion-Ortner oder Barbara Spindler. Möglicherweise Pia Haschke.

Die Gesellschaftervertreter der Nationalen Antidopingagentur Nada schweigen über die Zukunft der Institution wie eine Auster. Vielleicht kommt ja auch eine Perle heraus. Die außerordentliche Generalversammlung am Freitag endete mit dem Beschluss, demnächst einen Beschluss zu fassen. Nämlich die Geschäftsführung der Nada international auszuschreiben. Man darf gespannt sein, was die führenden Köpfe einer Organisation zusammenzubringen, die sich von einer Zeitung ins Bockshorn jagen lassen.

Derweil liegt drei Monate vor dem Beginn der Olympischen Sommerspiele, zu einer Zeit, in der die sportlichen Ehrgeizlinge volle Kanne Vorbereitung absolvieren, das österreichische Dopingkontrollsystem in Scherben. Zwar werden weiterhin Tests durchgeführt, aber selbst ein positives Ergebnis hätte keine rechtlichen Konsequenzen. Denn nur die Rechtskommission kann dem Antidoping-Bundesgesetz ADBG zufolge Sicherungsmaßnahmen, nämlich Suspendierungen oder Sperren, auszusprechen. Die Lage ist grotesk: Die Fachverbände wären nicht bloß berechtigt, sondern sogar gezwungen, qualifizierte Athleten trotz eines positiven Dopingtests zu den Spielen nach London zu schicken. Falls der Internationale Sportgerichtshof CAS oder die Welt-Antidopingagentur Wada nicht gegen das Sportsystem der Alpenrepublik Maßnahmen ergreifen.

Gernot Schaar, der vom Nada-Geschäftsführer Andreas Schwab abberufene Vorsitzende der Nada-Rechtskommission, hat eine Klage gegen die Nada angekündigt. Seiner Forderung auf Widerruf der Abberufung wurde nicht nachgekommen und offenbar gaben die Gesellschafter auch die von Schaar verlangte Ehrenerklärung nicht ab. Damit ist ein rechtloses Interregnum eingetreten.

Die Störche werden wohl schon den Winterurlaub in Afrika planen, wenn die nächste Kommission die Arbeit aufnimmt. Da die Nada-Auster keine Kandidatinnen nennt, kann über Präferenzen und Eignungen nur sinniert werden. Ex-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner verfügt immerhin über die notwendige Geschmeidigkeit, wurden doch die Antikorruptionsgesetze in ihrer Amtszeit verschärft, worauf sie derzeit in der Internationalen Antikorruptionsakademie Buße tut. Fitter für den Job wäre Barbara Spindler, die Geschäftsführerin der Bundes-Sportorganisation. Sie verfügt über Erfahrung in der EU und im System.

Der assortierten, empirisch gestützten Assoziation zufolge brächte auch Wilhelm Lilge, ein erfahrener Dopingbekämpfer und Trainer, viele Qualitäten für den Posten mit.

Aber Lilge ist ein Mann. Zwar wird die Ausschreibung für den Nada-Chefposten weder ein Studium noch ein Geschlecht als Voraussetzung beinhalten. Doch Pia Haschke bringt beide Qualifikationen mit. Sie arbeitete als Assistentin am Institut für Europarecht der Uni Wien und folgte dem ehemaligen Chef der Antidoping-Commission ÖADC als Vertreter Österreichs im Europarat nach. Sportminister Darabos war entzückt, einer Frau die Rutsche ins Sportsystem gelegt zu haben. Haschke betrieb beim Askö Kärnten Leistungssport, und eine SP-Neigung kann im Extremfall die schützende Muschelschale um die Perle bilden.

E-Mails an: sport@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.