Die Euro, dein Lustspender

Sexarbeiterinnen waren während EM und Olympischen Spielen stets unerwünscht. Nur die Methoden der Problembekämpfung sind von der Ukraine bis Salzburg unterschiedlich.

Die Euro 2008 war rotlichtmäßig eine Hängepartie. Nach der WM 2006 in Deutschland bereits der zweite Fehlschlag. Da das älteste Gewerbe der Welt nicht so schnell aufgibt, läuft in Kiew, der Hauptstadt der Ukraine, bereits eine Werbekampagne, um Touristen auf den Geschmack der mannigfaltigen Freuden rund um die Euro 2012 zu bringen. Bei der Stadtverwaltung trifft sie jedoch nicht auf Gegenliebe, die Behörde will gegen die Sexarbeiterinnen vorgehen.

Nach dem Politikerboykott gegen die Ukraine will man sich nicht noch einen Imageflop einhandeln und als Zentrum der käuflichen Liebe dastehen. Die Ukraine ist freilich kein Einzelfall, Eindämmungsmaßnahmen gegen käufliche Triebabfuhr ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der großen Sportturniere. Nur die Methoden variieren von Land zu Land. Sie treffen meist den Nerv des freudig erregten Fans.

In Österreich fürchtete sich einer Umfrage der Universität Wien zufolge jeder Zweite vor Prostitution und Drogenhandel während der Euro. Mehr allerdings noch vor den englischen Fans. In Innsbruck wurden Wochen vor dem ersten EM-Spiel frei umherschweifende Liebeshändlerinnen genau beobachtet.

Den Wienern wurde ein Anstieg der legalen und illegalen Prostitution prophezeit, das Magistrat stellte gegen die anrollende Sündenwelle acht „zeitgleich“ am Frauennotruf arbeitende Telefonseelsorger bereit. Im traditionell sinnenfreudigen Salzburg wollten einschlägige Etablissements ihre Belegschaft um durchschnittlich sieben Schöne der Nacht aufstocken. Bürgermeister Heinz Schaden kündigte dagegen quasi ein Pressing an urban-hygienischen Maßnahmen an. 20 Müllmänner standen gleichzeitig in Alarmbereitschaft, die Innenstadt wurde vier Mal täglich geputzt und die Urinals bis ein Uhr früh offen und sauber gehalten. „Das ist wichtig für die Akzeptanz bei der Bevölkerung.“


Nur im freisinnigen Kärnten begegnete man der Lustlawine mit Gelassenheit. Weder Sextourismus noch Sexcontainer seien zu befürchten, wiegelte die Klagenfurter Behörde damals ab. Kärnten erfreute sich lieber am neuen Stadion und dem dort Hof haltenden Landeshauptmann Jörg Haider.

In weniger freien Gesellschaften wird diese spezielle Schattenwirtschaft mit robusteren Maßnahmen aus dem Verkehr gezogen. Während der Olympischen Sommerspiele drangsalierte die Exekutive von Peking die Sexarbeiterinnen, die einschlägigen Bars waren leer, die Geschäfte erfolgten in schummrigen Nebenstraßen und Privatwohnungen. In Vancouver, einer von Armut und Obdachlosigkeit gebeutelten Stadt, erhofften sich 2010 die Prostituierten eine kurzzeitige Hebung der Umsätze. Doch die Nachfrage stagnierte, obwohl die Polizei cool blieb. Das IOC ging, das Elend blieb.

Die Fifa-WM in Südafrika 2010 soll offenbar von erheblicher Kinderprostitution begleitet worden sein. Schwester Melanie Ocondor, die Leiterin des Büros zur Bekämpfung von Menschenhandel der katholischen Bischofskonferenz, schilderte, wie Kriminelle vermehrt Kinder und Jugendliche vor Schulen mit dem Versprechen von Ferialjobs rekrutierten oder einfach entführten, um sie WM-Touristen zugänglich zu machen. Ein Thema der Berichterstattung war das kaum.

Das wird wohl auch für die Euro in Polen und der Ukraine gelten. Wie die Tatsache, dass es zwar viele Fans bis zum ersten Spiel kaum erwarten können, aber offenbar mehr Menschen, als man ahnt, den Tag herbeisehnen, da die glitzernde Karawane der Uefa wieder weiterzieht.

E-Mails an: sport@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.