Die Firewall der Funktionäre

Der pensionierte ASVÖ-Funktionär Felix Netopilek plaudert aus der Schule, und ein Gutachten des ÖOC zeigt, wie recht er mit seiner Systemkritik hat.

Das Sportfördersystem Österreichs ist ein europaweit einzigartiger Selbstbedienungsladen. Wie effizient die parteipolitisch eingebetteten Dachverbände Sportunion und Askö arbeiten, zeigt allein die Tatsache, dass der Bund brav blecht, obwohl er das nach dem Bundessportförderungsgesetz gar nicht müsste. Jahr für Jahr schmiert die Republik mit mehr als 80 Millionen Euro an „Besonderer Sportförderung“ ein verkrustetes, administrativ überbelegtes System, in dem der Sportler an letzter Stelle der Förderkette steht. Akutes Beispiel: Die gute Grundsatzidee der Kampagne „Fit für Österreich“ generierte statt einer Fitnesswelle eine Parallelbürokratie.

In den vergangenen 30 Jahren ist noch jeder Versuch, durch eine Reform die Kosten unter Kontrolle zu bringen und die Effizienz zu steigern, am sportpolitischen Filz gescheitert. Sportminister Norbert Darabos wird demnächst einen Gesetzesvorschlag zur Neuordnung der Sportförderung einbringen. Von der ursprünglichen Absicht, radikale Vereinfachung und zeitgemäße Neuverteilung mit laufender Kontrolle zu verbinden, wird nicht viel übrig geblieben sein. Sport-Kapos wie Peter Haubner (ÖVP-Parlamentarier, Präsident der Sportunion) und Peter Wittmann (SPÖ-Parlamentarier, Präsident der Askö und der Bundes-Sportorganisation) räumen das Reformgesetz rechtzeitig ab, bevor es den Filzokraten weh tun könnte. Wenn Darabos nicht mitspielt, kann er die Zustimmung für das neue Gesetz im Parlament vergessen.

In dieser geschützten Werkstätte ist „Goschen halten, Hände falten, Danke sagen, mitmachen“ oberste Regel. Nur in seltenen Fällen bricht jemand das Gesetz der Omerta. Der langjährige Generalsekretär des Allgemeinen Sportverbandes Österreichs (Asvö), Felix Netopilek, hat seine Erinnerungen aus 36 Jahren Dienst am Sport veröffentlicht (zu finden auf www.netopilek.at/de/menu2/downloads, Titel: „Von der Seele geschrieben“).

Der Asvö ist neben der Union und der Askö der dritte Dachverband und der einzige, der keiner politischen Partei anhängt. Er wurde von Vereinen und Landesverbänden einzig zu dem Zweck gegründet, um an Fördergelder der Republik heranzukommen. Seither sind die in der Asvö organisierten Landesverbände ihre Existenzsorgen los, ohne sich im Gegenzug zu irgendetwas verpflichten zu müssen. Schon gar nicht zu Sparsamkeit, österreichweiter Solidarität in Sport- und Gesundheitsfragen oder gar koordinierter Förderung von (Spitzen-)Sportlern.

Die Geschichte ist auch deswegen brisant, weil derzeit ein Gerichtsverfahren gegen den Ex-Generalsekretär des ÖOC, Heinz Jungwirth, wegen des Verdachts der Untreue von rund 2,7 Millionen Euro anhängig ist. Im Verlauf der ersten drei Verhandlungstage belastete zwar Ex-Präsident Leo Wallner seinen ehemaligen Bürochef Jungwirth. Aber Wallner und fast alle anderen Zeuge sagten auch aus, dass „am Ende des Jahres immer alles gestimmt hat“. Es bleibt der Eindruck eines unüberschaubaren Selbstbedienungsladens.

Ein dem Verfahren zugrunde liegendes Gutachten über die ÖOC-Geschäftsgebarung enthält eine Liste von Sportfunktionären, die sich zu den Olympischen Sommerspielen in Peking 2008 einladen ließen. Unter ihnen ÖOC-Vorstandsmitglieder und Parlamentarier.

Sollte Sportminister Darabos die Firewall der Funktionäre durchbrechen und sein Reformprogramm durchsetzen wollen, kann er sich ja das Gutachten besorgen. Es wurde vom ÖOC beauftragt und in der „Strafsache gegen Heinz Jungwirth“ der Staatsanwaltschaft Salzburg am 4.September 2009 übermittelt.

E-Mails an: sport@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.