Internet: Es ist die Masse, die zählt

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Die Anbieter liefern sich ein Wettrennen bei der Aufrüstung des Internets. Dabei geht es weniger um hohe Geschwindigkeiten, als vielmehr darum, den Datenstrom überhaupt zu schaffen.

Wien. Bis 2020 soll ganz Österreich mit schnellem Internet versorgt sein. So hat es die Regierung in ihrer Breitbandstrategie festgeschrieben. Für die Hälfte der Österreicher bedeutet das bis zu viermal schnelleres Internet – für fast ein Prozent der Bevölkerung bedeutet es überhaupt den Netzzugang.

Während nämlich schon an der übernächsten Generation schnellen mobilen Internets getüftelt wird, gibt es in Österreich Orte, die gar kein Internet haben. Gramais in Tirol zum Beispiel. Für T-Mobile wäre ein Ausbau nicht wirtschaftlich, erklärte Technikchef Rüdiger Köster der „Presse“ bei einer Demonstration von LTE-Advanced, der noch einige Jahre entfernten Zukunft des mobilen Internets.

Für 100 Einwohner ein Netz aufzubauen, rentiert sich nicht, bestätigt auch die Telekom Austria. Während so mancher Gramaiser also noch Briefe schreibt, steht Schwechat bei Wien bereits mit einem Fuß in der derzeit noch praxisfernen Zukunft.

LTE (Long Term Evolution, 4G) ist die nächste Mobilfunkgeneration nach 3G, das zu 95 Prozent zur Verfügung steht. Etwa 50 Prozent der Bevölkerung können laut Telekom schon per Festnetz oder Mobilfunk mit LTE mit jener Geschwindigkeit versorgt werden, die dem Ziel der Regierung für 2020 entspräche. LTE Advanced (5G) ist der nächste Turbo, der aufgebaut werden soll.

In einem ersten Schritt werden mehrere Frequenzbereiche kombiniert. Das gelingt über ein schlichtes Software-Update. Dann werden die Antennen verdoppelt. Dazu muss jeder einzelne Standort umgebaut werden. In Schwechat ist das an acht Standorten bereits geschehen. „Eine Weltpremiere“, betonte Köster. Stimmt nicht ganz, würde nun die Telekom (A1) einwenden. Der Marktführer hat LTE-Advanced bereits Ende 2013 in Wien demonstriert.

Handys sind nicht so weit

Das Match ist freilich akademisch, denn kein Smartphone, Tablet oder Internetstick beherrscht das Mehrantennen-Kunststück. Die ersten Endgeräte sind 2016 so weit, der Netzausbau wird länger dauern. Bis 2030 vielleicht, schätzt Marcus Grausam, Technikchef der Telekom. Nicht zuletzt, weil für LTE-Advanced jeder Standort per Glasfaser angebunden werden muss. Das ist noch nicht einmal bei allen Schwechater Antennen der Fall.

Für den Luxus, schneller surfen zu können, verlangen die Provider teilweise auch höhere Gebühren. Und die Nachfrage nach schnellem Internet steigt. Im Herbst kommt die US-Online-Videothek Netflix nach Österreich und Videostreaming, also die Übertragung des Videos in Echtzeit, gehört zu den stärksten Treibern des Internetverkehrs. Zehn Megabyte Daten, das entspricht etwa vier Liedern im MP3-Format, haben derzeit via 3G theoretisch etwa acht Sekunden Ladezeit. Mit LTE Advanced verkürzt sich das auf den Bruchteil einer Sekunde. In der Praxis kommt man freilich nicht auf die theoretischen 300 Megabit pro Sekunde. Bei der Vorführung in Schwechat schlug der „Datentacho“ auf 30 bis 50 Mbit aus. Auch das ist immerhin noch 50 Prozent schneller als LTE.

In Wahrheit geht es aber gar nicht um die Geschwindigkeit. Tatsächlich stellt sich künftig eher die Frage, ob man ein Video im Internet überhaupt ansehen kann. Denn die derzeitigen Netze wären schlicht mit der Masse an Daten überfordert, die sie in einem Moment übertragen müssten. Es gibt nicht nur immer mehr Geräte, die Daten laden, sondern auch immer mehr Daten, die gleichzeitig zur Verfügung stehen müssen. Allein auf einer herkömmlichen Website werden heute neben Text und hochauflösenden Bildern etwa auch Werbevideos in HD-Qualität geladen. Simpel ausgedrückt müssen die Leitungen also nicht schneller sein, sondern dicker. Und genau diese Kapazitätssteigerung bringen 4G und 5G.

Die Technik ist aber nicht das einzige Problem: Es geht – natürlich – auch ums Geld: Das haben die Mobilfunker aber bereits bei der Frequenzauktion verbraten. Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) hat erreicht, dass zumindest die Hälfte der dort gezahlten zwei Mrd. Euro in Form einer Ausbauförderung an die Firmen zurückfließt. Pro Betreiber bedeute das etwa 30 bis 40 Mio. Euro pro Jahr, rechnet Köster vor.

Weiße Flecken im Vorteil

LTE-Advanced könne damit allerdings kaum finanziert werden. Die Regierung stellt sich bis 2020 nicht nur eine schnelle, sondern vor allem eine flächendeckende Versorgung Österreichs vor. Die Förderung ist zwar nicht technologiegebunden, aber sie wird nur für den Ausbau unterversorgter Regionen vergeben, erklärt Grausam. Die eigentlichen Profiteure der Breitbandmilliarde sind also die Gramaiser, die sonst auch bis 2020 keinen Anschluss hätten. Die Mobilfunker werden aber bald wieder tief in die eigene Tasche greifen müssen. Für 5G sind noch mehr Frequenzen notwendig. Die nächste Auktion kommt also bestimmt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2014)

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