„Würde Daten nur in Europa speichern“

Pens with the logos of SAP are pictured before the company´s annual general meeting in Mannheim
Pens with the logos of SAP are pictured before the company´s annual general meeting in Mannheim(c) REUTERS (KAI PFAFFENBACH)
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Die deutsche Softwareschmiede SAP kam wegen einer angeblichen Kooperation mit der NSA in die Schlagzeilen. Europa-Chef Cohen über Big Brother, die Sicherheit von Daten und die NSA.

Die Presse: Es gab in letzter Zeit viele Gerüchte über eine Zusammenarbeit von SAP und dem amerikanischen Geheimdienst NSA. Angefangen von Hintertüren in der Software von SAP, damit der Geheimdienst einen Zugang zu den Daten von Firmen hat, bis zur direkten Zusammenarbeit.

Franck Cohen: Das alles ist sehr einfach: Wir haben keinerlei Verbindungen mit den Geheimdiensten, es gibt keine Hintertür in der Software, es gibt keinen Zugang für die NSA, es gibt keine Kooperation.

Jede andere Antwort wäre jetzt eine ziemliche Überraschung gewesen.

Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten sehr erfolgreich sichere Systeme für Unternehmen aufgebaut und entwickelt. 75 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts werden auf einer SAP-Plattform verwaltet. Wir arbeiten hart für unsere Kunden, warum sollten wir das gefährden?

Aber eigentlich könnte man doch damit angeben, dass sogar die NSA Software von SAP verwendet.

Ich bin mir nicht sicher, ob so eine Werbung in Europa sehr gut ankommen würde.

Was ist eigentlich das Spezielle an der neuen Softwareplattform Hana, das sie so interessant macht?

Hana ermöglicht es, große Datenmengen in Echtzeit zu analysieren und auszuwerten. Und das in einer Geschwindigkeit, die man bisher nicht kannte. Wir können beispielsweise im Gesundheitsbereich Behandlungen individualisieren oder die DNA von Personen verwalten. Regierungen können damit Auffälligkeiten im Steuersystem entdecken. Firmen können das Verkaufsverhalten ihrer Kunden minutengenau analysieren, Walmart verwendet beispielsweise Hana. Es ist ideal, um Big Data zu verwalten. Unsere Software ist ein Durchbruch, in ein paar Jahren werden alle anderen Unternehmen dieses System kopieren.

Big Data hat nicht unbedingt einen guten Beigeschmack. Viele sehen darin mehr eine Gefahr als eine Chance.

Es kann beides sein, je nachdem, wie man die Daten verwendet. Man kann großartige Dinge damit machen. Wir in Europa können die Firmen im asiatischen Raum bei Investitionen nicht überbieten, aber wir können klüger sein, indem wir die Kundenbedürfnisse besser kennen. Das ist die gute Seite. Natürlich gibt es auch die schlechte Seite, wenn man die Daten verwendet, um Menschen auszuschnüffeln.

Jetzt sind wir wieder bei der NSA: Hana klingt ein wenig wie Big Brother und die Traumsoftware von allen, die den totalen Überwachungsstaat wollen.

Wir verkaufen diese Software nicht an jeden.

Sie verkaufen die Software nicht an Geheimdienste?

Wir verkaufen sie nur für eine sehr eingeschränkte Nutzung, die wir auch kennen müssen. Wer Hana verwenden will, muss bestimmte Anforderungen erfüllen. Wenn ein Geheimdienst zu uns kommt und Hana haben will, dann lehnen wir ab. Natürlich können wir nicht kontrollieren, ob er es über ein anderes Unternehmen kauft. Aber bei uns nicht.

Welche Anforderungen gibt es zum Beispiel?

Wenn beispielsweise jemand aus der Verteidigungsindustrie Hana für Raketensimulationen einsetzen will, dann sagen wir: Danke, daran sind wir nicht interessiert.

Kommen wir zurück zu Big Data: Wie wollen Sie einen Missbrauch verhindern?

Ich bin ein großer Befürworter einer europaweiten Regulierung durch die EU, in der genau festgeschrieben ist, was man mit den Daten machen darf. Man müsste auch Qualitätskriterien für Daten- bzw. Rechenzentren festschreiben, wie sie geschützt werden müssen, wie die Daten zu verschlüsseln sind, sogar Anforderungen an die Menschen, die in den Rechenzentren arbeiten, müsste es geben. Es gibt derzeit zu viele Anbieter, die alle versprechen, Daten in der Cloud sicher zu speichern. Aber niemand weiß genau, wie sie arbeiten.

Ganz generell: Wo würden Sie Daten heute lagern? Würden Sie einem Rechenzentrum in den USA vertrauen?

Wir empfehlen unseren Kunden, Rechen- und Datenzentren in Europa zu verwenden. Nicht nur, weil Daten in Europa vielleicht sicherer sind vor dem Zugriff von Geheimdiensten als auf amerikanischem Boden. Wir garantieren unseren Kunden auch, dass die Angestellten in unseren Zentren Europäer sind und nicht US-amerikanischen Gesetzen unterliegen. Alle Daten sind verschlüsselt, und die Mitarbeiter, die in den Rechenzentren arbeiten, können nicht auf diese Daten zugreifen. Ich glaube, auch die USA werden in diese Richtung gehen. Aber derzeit würde ich Daten nur in Europa speichern und verwalten.

Fragen amerikanische Firmen eigentlich danach, ob sie ihre Daten in Europa speichern können?

Sicher. Aber manche Länder erlauben das ihren Firmen nicht. Russland beispielsweise oder auch Saudiarabien, dort müssen Daten in der Cloud innerhalb der Landesgrenzen gespeichert werden.

Sind Daten auf einem lokalen Server in einer Firma nicht sicherer als in der Cloud?

Bei großen Unternehmen gibt es schon jetzt Hybridlösungen. Sie haben einen Teil ihrer Daten in der Cloud, und einen Teil speichern sie in der Firma. Aber gerade für kleine und mittelgroße Unternehmen ist es teuer und kompliziert, eine solche Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Viele haben einfach nicht das Geld und das Wissen für sichere Systeme. Für sie ist die Cloud besser und bietet auch mehr Schutz vor unerlaubtem Zugriff.

Vor fünf Jahren hat noch niemand gewusst, was die Cloud ist, jetzt reden alle davon. Was ist in fünf Jahren der nächste große Trend?

Das Internet der Dinge. Das wird ein gewaltiger Technologieschritt sein. Auf der Mobilfunkmesse ging es zwar noch um Handys, das bestimmende Thema war aber das Internet der Dinge. Alles ist vernetzt, 60 Milliarden Geräte werden in fünf Jahren online sein. Das geht von Gesundheitsanwendungen über das Auto, Post, Pakete, Kleidung, die Uhr – alles wird mit dem Internet verbunden sein. Der Umsatz in dem Bereich wird auf 15 Billionen Dollar geschätzt.

Wer braucht eigentlich einen Kühlschrank, der mit dem Internet verbunden ist?

Stimmt schon, über den Nutzen kann man diskutieren. Aber wenn sie heute einen allein lebenden Pensionisten haben, dann haben Geräte, die beispielsweise seinen Blutdruck überwachen, durchaus eine Berechtigung. Sinkt der Blutdruck rapide, wird automatisch die Rettung verständigt – das ist eine sinnvoll Nutzung.

Und wo ist SAP?

Mittendrin. Wir haben jetzt eine Partnerschaft mit Siemens und eine mit Intel geschlossen, wir sind auch Teil des Konsortiums, das die Standards für das Internet der Dinge festlegt. Wir werden sicher nicht Geräte bauen. Aber die Daten, die durch das Internet der Dinge produziert werden, müssen verwaltet und gespeichert werden. Und da sind wir. Wir werden Software bieten, um all diese Daten zu analysieren und etwas Sinnvolles damit zu tun.

Das klingt wieder sehr nach Big Brother.

Es gibt bei uns sehr viele verschiedene Sicherheitsstufen. Wir verwalten die Daten von Fluglinien, von Zentralbanken, von Regierungen – wir wissen genau, wie man Daten und Datenzentren sicher macht. Aber genau wegen dieser Sorgen vor Big Data befürworte ich EU-weite Regelungen.

ZUR PERSON

Franck Cohen leitet seit Jänner 2011 beim Softwareunternehmen SAP die Regionen Europa, Naher Osten und Afrika. Der gebürtige Franzose studierte Elektrotechnik in Tel Aviv und arbeitet seit mehr als 20 Jahren in der Softwareindustrie. SAP mit Sitz in Walldorf in Baden-Württemberg ist der größte europäische Softwarehersteller und bietet Programme zur Abwicklung sämtlicher Geschäftsprozesse eines Unternehmens.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2015)

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