Microsoft kann es nicht lassen: Streit um Windows 10

A waitress serves a Microsoft delegate during the launch of the Windows 10 operating system in Kenya's capital Nairobi
A waitress serves a Microsoft delegate during the launch of the Windows 10 operating system in Kenya's capital NairobiREUTERS
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Neuauflage im Browserkrieg? Der Softwarekonzern verschreibt den Windows 10-Nutzern „Edge“ als Standard-Browser. Wer surfen will wie bisher, muss sich zu sehr bemühen, klagen Rivalen.

So viel Lob hat Microsoft schon lange nicht bekommen. Das seit Mittwoch erhältliche Betriebssystem Windows 10 sei einer der besten Würfe des Konzerns, so das einhellige Urteil der meisten Journalisten und Tech-Blogger. In nur 24 Stunden wurde es 14 Millionen Mal heruntergeladen. Und da Microsoft die Software an alle bisherigen Nutzer von Windows 7 und Windows 8 verschenkt, dürfte diese Zahl weiter steil steigen.

Aber nicht alle klatschen Beifall: Microsoft respektiert die freie Wahl der Menschen nicht, ärgert sich Mozilla-Chef Chris Beard in einem offenen Brief an den Microsoft-Boss Satya Nadella. Wer das neue Betriebssystem herunterlädt, erhält automatisch „Edge“ – der designierte Nachfolger für den lahmenden Internet Explorer – als Standard-Programm zum Navigieren im Internet eingestellt. Wer sich also bisher für Mozillas Firefox oder Googles Chrome als Standard-Browser entschieden hat, muss diese Wahl nach der Installation von Windows 10 erneut treffen. Dafür seien aber „doppelt so viele Klicks“ notwendig als bisher, so Beard.

561 Millionen Dollar Strafe

Dieses Vorgehen ist für Microsoft alles andere als neu. Erst vor zwei Jahren hatte die EU-Kommission das US-Unternehmen zu einer Strafe von 561 Millionen US-Dollar verdonnert, weil es neuen Nutzern von Windows 7 keine Wahl zwischen dem hauseigenen Internet Explorer und alternativen Browser-Anbietern bot. Seit Jahren setzt das Unternehmen aus Redmond auf ähnliche Tricks, um die Marktmacht des Internet Explorers zu halten. Schon 2009 einigten sich die EU und der Software-Konzern auf einen Kompromiss: Windows-Nutzer sollten beim ersten Start des Betriebssystems frei zwischen verschiedenen Internetbrowsern wählen dürfen. Ende 2014 lief diese Verpflichtung allerdings ab.

Kann es Microsoft also wirklich nicht lassen? Nutzt er schon wieder die starke Verbreitung von Windows aus, um seinem Webbrowser einen unfairen Vorteil zu verschaffen? Der Konzern ist sich naturgemäß keiner Schuld bewusst. Jeder Nutzer könne „einfach“ wechseln. Sollte sich zeigen, dass viele Nutzer Probleme haben, könnte es Änderungen geben, hieß es. Im „Presse“-Test zeigt sich, dass das Ändern des Standard-Browsers tatsächlich etwas umständlicher ist, als notwendig. So ist etwa ein kurzer Abstecher in die Windows-Einstellungen nötig. Unmöglich ist der Wechsel aber auch für Technik-Neulinge nicht.
Um die Aufregung von Mozilla-Chef Chris Beard zu verstehen, hilft ein Blick auf die jüngste Entwicklung der Marktanteile am Browser-Markt. Während Firefox in Österreich immer noch sehr beliebt ist, verliert das Unternehmen weltweit gesehen rapide an Nutzern. So sank der Anteil nach Daten von Net Applications bei Desktop- und Laptop-Nutzern zuletzt deutlich auf zwölf Prozent. Bei mobilen Geräten sieht es noch weitaus schlechter aus.

Windows Internet Explorer hält demnach bei Desktop-Nutzern immer noch knapp 55 Prozent Marktanteil, was auch daran liegt, dass der Internet Explorer auf vielen Firmencomputern der Standard-Browser ist. Den plötzlichen Absturz hat Firefox aber nicht Microsoft zu verdanken, sondern dem Aufstieg von Google Chrome. Der Internetbrowser des Suchmaschinengiganten kletterte zuletzt von zwanzig auf 28 Prozent Marktanteil weltweit. In Europa liegt dieser Wert noch deutlich darüber. Andere Statistik-Anbieter wie etwa StatCounter sehen Chrome aufgrund von unterschiedlichen Messmethoden bereits vor dem Internet Explorer. Bis das im Vorfeld bereits viel gelobte neue „Edge“ von Microsoft diese Liste durcheinander wirbeln wird, dürfte es wohl noch eine Weile dauern. Nur wer tatsächlich auf Windows 10 umsteigt, darf den neuen Webbrowser auch verwenden. Den Benutzern von älteren Windows-Versionen bleibt er vorerst verwehrt.

Edge wird erst wirklich gut

Noch dürfte Edge aber für viele Menschen auch noch gar nicht interessant sein. Der Browser ist ersten Tests zufolge zwar schnell. Viele „neue“ Anwendungen wie etwa der Lesemodus ist jedoch in den meisten gängigen Browsern längst Standard. Und noch wichtiger: Bis dato gibt es noch keine Erweiterungen für das Programm. Wer also etwa einen Ad-Blocker verwenden will, um Internetwerbung auszublenden, sollte sich noch etwas gedulden. Für Herbst ist das erste Update für Windows 10 angekündigt. Dann werden wohl auch Add-Ons für Edge nachgeliefert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 1.8. 2015)

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