Das „Recht auf Vergessenwerden“ im Internet wird Realität

Themenbild
Themenbild(c) Bloomberg (Tomohiro Ohsumi)
  • Drucken

Datenschutzreform. Neue Regeln sollen in allen EU-Staaten gelten.

Straßburg. Der Kurztrip nach Venedig ist ebenso schnell organisiert wie das Leihauto zum Flughafen oder die Pizzabestellung nach Hause: Mit dem Smartphone lässt sich heute beinahe alles regeln; gleichzeitig macht es seinen Besitzer damit zum viel zitierten gläsernen Menschen. Dieser hat bisher nur eine sehr eingeschränkte Kontrolle darüber, was mit den eingegebenen Daten passiert. Neun von zehn EU-Bürgern sind deshalb besorgt, dass Apps von mobilen Geräten sämtliche Informationen ohne ihre Zustimmung speichern. Das soll sich nun ändern: Die neue EU-Datenschutzrichtlinie, für die im Europaparlament der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres am gestrigen Dienstag votiert hat und über die am Donnerstag im Plenum abgestimmt wird, soll dem Bürger die Kontrolle über seine Daten weitgehend zurückgeben: So wird das Recht auf Vergessenwerden schon bald jedem Nutzer garantiert. Es bedeutet, dass Daten gelöscht werden, wenn die Weiterverarbeitung nicht gewünscht ist. Wer etwa seine Mitgliedschaft in einem sozialen Netzwerk beenden will, kann davon ausgehen, dass die Daten – deren Veröffentlichung er ja zu einem anderen Zeitpunkt zugestimmt hat – von dem betreffenden Unternehmen nicht länger gespeichert werden. Auch die Information, wie personenbezogene Daten weiterverarbeitet werden, soll künftig leichter zugänglich sein. Bei Missbrauch der Regeln durch Unternehmen hagelt es Bußgelder von bis zu fünf Prozent des Jahresumsatzes.

Das Regelwerk ersetzt die alte Richtlinie aus dem Jahr 1995, einem Flickenteppich, dessen Umsetzung jedem Mitgliedstaat selbst überlassen geblieben ist – und der den Herausforderungen des modernen Internets und der stark gestiegenen Verarbeitung personenbezogener Daten nicht mehr gerecht wurde. Die Daten haben für den EU-Binnenmarkt einen hohen Wert, der kontinuierlich steigt: Bis zum Jahr 2020 könnte er eine Billion Euro betragen, schätzt die Kommission.

Fluggastdatenregister umstritten

Im Paket mit der Datenschutzrichtlinie wird am Donnerstag in Straßburg auch über das europäische Fluggastdatenregister (PNR) abgestimmt, das unter den Abgeordneten auch nach den Terroranschlägen von Paris und Brüssel umstritten ist. Die Daten der Flugpassagiere sollen für fünf Jahre gespeichert werden, davon sechs Monate in offener Form. Nur der Datenaustausch über Drittstaatsangehörige soll jedoch verpflichtend sein, nicht jener über EU-Bürger. Während die SPÖ warnt, dass PNR den Terrorismus auch in Zukunft nicht verhindern könne, sieht die ÖVP das geplante Register als wichtigen – wenn auch nicht einzig nötigen – Schritt bei der Abwehr weiterer Anschläge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.