Digitalkonferenz "Darwin's Circle": Als die Elite die Revolution absagte

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Die erste Auflage der Wiener Digitalkonferenz „Darwin's Circle“ bot keine Lösungen, aber hochkarätige Gäste und Denkanstöße. Im kleinen Rahmen wechselten sich wirtschaftliche Betrachtungen und Wahlkampftöne ab.

„Unsere Daten, unsere Regeln“, stand auf den Transparenten, die die kleine Schar der Demonstranten Donnerstagfrüh vor dem Haus der Industrie am Schwarzenbergplatz in die Höhe hielt. Hier werde die Digitalisierung, sprich ihre Zukunft entschieden - jedoch vor 250 elitären Köpfen, die sich den Ticketpreis von 1000 Euro leisten können. Auch der eingerichtete Livestream konnte sie nicht besänftigen.

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In einem Punkt hatten die Demonstranten recht: Elitär war die Digitalisierungskonferenz Darwin's Circle, die zum ersten Mal in Wien über die Bühne ging. Dafür sorgten einerseits die hochkarätigen Vortragenden. Neben Kanzler Christian Kern, dem Chef der Industriellenvereinigung (IV) Georg Kapsch und dem ehemaligen deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg trafen die internationale Schwergewichte der Technologiebranche zusammen. Namen von Palantir, IBM, Amazon über Alibaba und Google bis Airbnb fanden sich auf den Podien. Schon im Voraus ließen die Veranstalter um die Exklusivität des Events wissen: Die vertretenen Unternehmen hätten einen kumulierten Marktwert von 2,6 Billionen Euro - 33 Mal der Bundeshaushalt der Republik Österreich.

Bestandsaufnahme für das Überleben

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In einem anderen Punkt wären die Demonstranten von den Diskussionen enttäuscht gewesen, die unter den wachsamen Blicken Kaiser Franz Josephs in den Prunkräumen der Industriellenvereinigung stattfanden: Hier wurde nicht über ihre Zukunft bestimmt, sondern lediglich der  digitale Status quo beleuchtet. Der Leitgedanke des Tages schien zu lauten: Um in der Hochtechnologiewelt von heute frei nach Charles Darwin überleben zu können, muss man bei Themen wie künstlicher Intelligenz, autonomem Fahren oder Onlinebezahldiensten auf dem neuesten Stand bleiben.

Hausherr Georg Kapsch sagte die digitale Revolution bereits in seinen Begrüßungsworten ab: Es gebe keine Revolution, sondern lediglich eine Evolution, die bereits 40 Jahre dauere und zuletzt an Geschwindigkeit gewonnen habe. Er wisse, das sei eine "provokative" Aussage auf einer Digitalkonferenz, "aber es gibt einen Hype um Start-ups". Die Entwicklung, Start-ups zu gründen und schnell über ihrem Wert zu verkaufen, gehe jedenfalls in die falsche Richtung. "Es braucht echte Unternehmen", schloss Kapsch.

Einen Unterschied zwischen Start-ups und traditionellen Unternehmen wollte Christian Kern nicht gelten lassen. Der Kanzler, der nach dem IV-Chef das Wort ergriff, betonte die Bedeutung der Start-up-Industrie für Österreich. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der 80.000 neuen Jobs in den vergangenen zwölf Monaten sei schließlich Neugründungen in diesem Sektor zu verdanken.

Politische Untertöne

In einem anderen Punkt waren sich allerdings beide einig: Die gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung dürfe Österreich trotz aller wirtschaftlicher Chancen nicht übersehen. Forderungen nach einer stärkeren Besteuerung von Gewinnen statt Löhnen und die Erfolge der vergangenen 18 Monate bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ließ sich Kern in seiner Rede so kurz vor den Wahlen nicht nehmen. Er mahnte eine starke staatliche Mitsprache in digitalen Umbruchszeiten ein. "Es ist unsere Aufgabe als Elite in diesem Land, dafür zu sorgen, dass hier niemand unter die Räder kommt, sonst wird diese Revolution die Tendenz haben, ihre eigenen Kinder aufzufressen", appelierte er an den Saal und die künftige Regierung.

Bei dem Wunsch nach einem Mehr an Staat bekam der Kanzler Unterstützung von einem der prominentesten Gäste der Konferenz. Alex Karp, Gründer des Silicon-Valley-Datensammlers Palantir, der für Insititutionen wie die CIA und NSA arbeitet, verlangte ein "Primat des Staats", auch wenn man leicht den falschen Eindruck bekommen könnte, dass die Macht im Silicon Valley liegt. Seine Einstellung bezeichnete der Chef des mit 20 Milliarden US-Dollar bewerteten IT-Unternehmens als "eher sozialdemokratisch", seine Arbeit als den Versuch, den "Widerspruch zwischen Terrorismusbekämpfung und Datenschutz aufzuheben". Dabei brach er auch eine Lanze für Europa und die Terrorismusbekämpfung: "Die Menschen wissen gar nicht, wieviele Anschläge tagtäglich verhindert werden. Sie hören nur von jenen, die passieren." In diesem Zusammenhang sei eben aber auch die Datenauswertung wichtig. Wie weit Datenschutz gehe, müsse laut Karp der Staat als moralische Letztinstanz entscheiden.

Unaufgeregte Händler

Ob Politiker, oder Wirtschaftstreibende - die Grundaussage des Tages blieb in den folgenden Diskussionen konstant. "Keine Revolution, sondern eine Evolution", sah insofern auch Rewe-Österreich-Chef Marcel Haraszti auf den Handel zukommen, als er sich mit Terry von Bibra vom chinesischen Onlineriesen Alibaba unaufgeregt darauf einigte, dass der Kunde der Zukunft nahtlos in allen Handelskanälen einkaufen werden will. Und Wirecard-Chef Markus Braun, der neben ihnen am Podium saß, ergänzte optimistisch: "Die Digitalisierung wird viel mehr Jobs schaffen, als sie wegnimmt." Die Voraussetzung sei nur eben, dass in Zukunft die richtigen Menschen in den richtigen Chefsesseln säßen. Conclusio: offen für alles sein. Damit brachten die Händler den Tenor im Haus der Industrie an diesem Donnerstag gut auf den Punkt.

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