Microsoft erntet auf der E3 in Los Angeles viel Applaus und Lob für seinen Hololens-Prototyp. Doch bis zum Verkaufsstart sind noch Optimierungen notwendig.
Stellen Sie sich vor, eine Brille könnte Sie in eine gänzlich andere Welt versetzen. Ohne dabei die Realität aus den Augen zu verlieren. Klingt zu sehr nach Utopie? Ist es aber längst nicht mehr, denn Microsoft hat mit seiner Hololens auf der E3 in Los Angeles gezeigt, dass es möglich ist. Microsofts Brille unterscheidet sich dabei deutlich vom Ansatz der Virtual-Reality-Brillen anderer Hersteller. Aber entscheidend ist der als Mixed Reality bezeichnete Ansatz. Statt zur Gänze in die virtuelle Realität abzutauchen, bleibt die Umgebung erhalten, und der Nutzer hat jederzeit die Möglichkeit, auch in der realen Welt zu agieren und sich zu bewegen, ohne dabei die Brille abnehmen zu müssen. Anfang des Jahres gewährte Microsoft erste Einblicke in die Funktionalität des Prototyps. Bei der diesjährigen E3 (Electronic Entertainment Expo) in Los Angeles gab es eine Live-Demonstration der Hololens. Auf einem leeren Tisch entstand binnen einer Sekunde eine riesige „Minecraft“-Landschaft. Der Microsoft-Mitarbeiter zeigte, wie man sich mit der Brille im Raum bewegen kann und dabei die Landschaft von allen Seiten betrachten und via Sprachsteuerung diverse Aktionen ausführen kann.
Ungewohnte Begeisterung. Wenig überraschend, aber ungewohnt die Jubelrufe des Publikums, und auch Tage danach wird in Foren Microsofts Hololens äußerst positiv diskutiert. Auf Reddit unterhalten sich Nutzer bereits darüber, wie andere Spiele für die Brille umgesetzt werden könnten. Damit scheint Satya Nadella (Microsoft-Chef) seinem Ziel, dass Kunden Microsoft wieder lieben lernen, einen Schritt näher gekommen zu sein. Außerdem hat man mit dieser Demonstration bewiesen, dass es doch keine Fehlentscheidung von Mojang war, sich für 2,5 Milliarden Dollar von Microsoft kaufen zu lassen. Beide Unternehmen profitieren von diesem Deal. „Minecraft“ wird durch Hololens auf ein gänzlich neues Level des Spielerlebnisses gehoben. Die Möglichkeiten, die sich den Spielern dadurch bieten, sind völlig neu und vielfältig. Und man steht in der ersten Reihe, wenn das Gerät auf den Markt kommt.
Für Microsoft sind die technischen Voraussetzungen ideal, aber vor allem die Fangemeinde ist für das Unternehmen wichtig. Über 60 Millionen Mal wurde das Spiel über die verschiedenen Plattformen bereits heruntergeladen, und die Community ist bekannt dafür, offen gegenüber Neuerungen zu sein. Sollte sich nur ein Bruchteil der aktuellen „Minecraft“-Spieler die Microsoft-Brille zulegen, wäre es ein durchschlagender Erfolg, und das, obwohl Microsoft den tatsächlichen Einsatz eher im beruflichen als im spielerischen Bereich sieht.
Es wird noch optimiert. Noch handelt es sich bei der gezeigten Brille um einen Prototyp, weswegen in ersten Forenkritiken auch das bislang noch eingeschränkte Sichtfeld diskutiert wurde. Der zu sehende Ausschnitt soll aber bis zum fertigen Produkt noch optimiert werden. Ein genaues Datum für den Verkaufsstart sowie der Preis wurde bislang noch nicht bekannt gegeben.
Microsoft schränkte den Release-Zeitraum aber zumindest ein wenig ein. Die Brille soll zwar nicht gemeinsam mit Windows 10 (nur damit funktioniert Hololens) am 29. Juli in den Handel kommen, aber zeitnah. Es spricht also nichts dagegen, dass noch in diesem Jahr die eigenen vier Wände zur virtuellen „Minecraft“-Spielwiese mutieren. Der Preis wird schlussendlich das Zünglein an der Waage sein.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2015)