Apple vs. Samsung: Wer klaut hier eigentlich von wem?

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Ein Wegweiser zum Showdown im Patentkrieg der Smartphone-Giganten. US-Konzern Apple wirft seinem südkoreanische Rivalen Samsung vor, beim Bau seiner Galaxy-Serie das Design der iPhones und iPads kopiert zu haben.

Wien. Sonderlich viel steht im Patent mit der Nummer US D593,087 S im Grunde nicht. Von einem „elektronischen Gerät“ mit abgerundeten Ecken ist die Rede. Daneben kleine Skizzen, so minimalistisch, dass sie für die Illustration einer Zeitungsseite nicht taugen. Doch das 16 Seiten dünne Papier hat mehr Schlagkraft, als man vermuten könnte. Ist es doch der Auslöser für den milliardenschweren Patentkrieg, den sich der kalifornische Elektronikkonzern Apple und der südkoreanische Rivale Samsung seit über einem Jahr liefern.

Im Kern wirft der US-Konzern Samsung vor, beim Bau seiner Galaxy-Serie das Design der iPhones und iPads kopiert zu haben. Die Asiaten kontern: Apple habe den Weg nach oben nur mit der Verletzung von Samsung-Patenten geschafft. 30 Verfahren auf vier Kontinenten haben sich die beiden Größen am 312 Milliarden US-Dollar schweren Smartphone-Markt geliefert. Am gestrigen Montag hat in den USA ein Prozess begonnen, der endlich Klarheit in das verfahrene Scharmützel bringen soll. Neun Geschworene aus dem Silicon Valley sollen darüber urteilen, wer hier eigentlich von wem geklaut hat.

Plante Sony das erste iPhone?

Einfach wird die Sache für die Jury und die Richterin, Lucy Koh, nicht. Jedes neu gebaute Smartphone verletzt potenziell eine Viertelmillion Patente. Apple schickt sieben Patente und etliche „Designmuster“ gegen die Südkoreaner ins Rennen. Dabei geht es nicht nur um das typische Aussehen der Geräte. Apple hat sich auch bestimmte Fingerbewegungen auf den berührungsempfindlichen Displays schützen lassen. Samsung wirft den Kaliforniern vor, fünf ihrer Patente zu verletzen. Allen voran das Patent auf die Übertragung von Daten im UMTS-Standard.

Auch die Gegenargumente sind mittlerweile bekannt: Samsung sei verpflichtet gewesen, das Patent – als Industriestandard – zu einem fairen Preis anzubieten, behaupten Apples Anwälte. Samsungs Rechtsabteilung schießt sich unterdessen auf die Frage ein, wer Handys mit runden Kanten tatsächlich erfunden hat. So einzigartig ist das Apple-Design nämlich nicht, trommeln die Asiaten seit Monaten – und liefern immer mehr Indizien dafür. Zuletzt kramten sie Skizzen aus dem Jahr 2006 hervor – ein Jahr, bevor das erste iPhone auf den Markt kam. Zu sehen ist ein Gerät, das dem iPhone aufs Haar gleicht. Das einzige Problem: Auf der Rückseite prangt das Sony-Logo. Apples Industriedesigner, Shin Nishibori, fertigte die Zeichnungen in Anlehnung an Sonys Entwürfe für ein „knopfloses Handy“ an. Seine Arbeit hätte den Kurs des iPhone-Projekts grundlegend verändert, sagte er bei einer Zeugenbefragung.

Ist Sony also der wahre Erfinder des so wertvollen iPhone-Designs? Hatte der frühere Apple-Evangelist Guy Kawasaki recht, als er der „Presse“ sagte: „Apple weiß einfach, was man stehlen muss“?

Die Kalifornier sehen das freilich anders und fordern 2,5 Milliarden Dollar Schadenersatz vom asiatischen Mitbewerber. Doch um das Geld geht es gar nicht. Mit einem Umsatz von 33,5 Milliarden Dollar in drei Monaten könnte Samsung eine Geldbuße wohl verkraften. Was Apple will, ist ein Verkaufsstopp der Samsung-Geräte in den USA. Im Moment offenbar der einzige Weg, den Höhenflug der Südkoreaner zu stoppen. Im dritten Quartal verkaufte Samsung über 50 Millionen Smartphones weltweit – fast doppelt so viele wie Apple.

Vor Gericht musste Samsung allerdings in etlichen Ländern bereits empfindliche Niederlagen einstecken. Auch in Kalifornien hat Richterin Lucy Koh bereits Verkaufsverbote für einige Samsung-Modelle ausgesprochen.

Stellvertreterkrieg für Google

Wer nun aber erwartet, dass der Prozess vor Apples Haustüre zum Heimspiel für den US-Konzern wird, der irrt. Denn Samsung kämpft im Grunde nur einen Stellvertreterkrieg für einen zweiten US-Giganten, für Google. Das Android-Betriebssystem der Suchmaschine läuft auf einem Großteil der Geräte, die – nicht nur von Samsung – gegen das iPhone ins Rennen geschickt werden. Der eigentliche Gegner von Apple heißt also Google – und der ist im Silicon Valley nicht weniger beliebt.

Viele Beobachter sehen das US-Patentrecht selbst als „Schuldigen“ im ganzen Konflikt. Viele „Neuerungen“ seien so minimal, dass sie gar nicht erst patentiert werden dürften, monieren Kritiker. Stattdessen befinde sich die gesamte Branche in einem Wettrüsten, was letztlich die Innovationskraft aller schwäche. Das wissen auch Samsung und Apple. Monatelang suchten sie nach einem Kompromiss. Schließlich sind die Unternehmen auch wichtige Partner. Alle Flash-Speicher, Displays und Chips für Apples iPhone kommen aus den Werken der Koreaner.

Vorerst stehen die Zeichen aber nicht auf Waffenstillstand. Stattdessen rüsten die Firmen weiter auf. Der insolvente Fotopionier Kodak will in den nächsten Tagen seinen Patentschatz zu Geld machen. 2,6 Milliarden Dollar soll er bringen. In den Ring um die Patent-Munition steigen zwei alte Bekannte: Apple (mit Microsoft) und eine Android-Fraktion – angeführt von Google.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2012)

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