Heer rüstet sich für Cyber-Krieg

Heer rüstet sich für Cyber-Krieg
Heer rüstet sich für Cyber-Krieg(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
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Laut Strategen werden Cyber-Kriege immer wahrscheinlicher. Der Inlandsnachrichtendienst des Bundesheeres plant eine 100 Mann starke Einheit, die im Ernstfall Österreich schützen soll.

Wien. Die einen halten den Begriff „Cyber-Krieg“ für überstrapaziert, meinen, er diene lediglich als Argument für jene, die den Überwachungsstaat weiter hochfahren wollen. Die anderen sehen in konzertierten Angriffen aus dem Internet die „aktuell gefährlichste Bedrohung“ (Zitat: André Blattmann, Armeechef der Schweiz) für moderne Staaten.

In den vergangenen Jahren widmete sich auch das österreichische Verteidigungsministerium dem Thema. Ein Teil der Arbeit wurde nun bekannt. Das Bundesheer plant, in den nächsten Jahren eine bis zu 100 Personen starke Einheit aufzubauen, die das Land auf Cyber-Angriffe auf den Gesamtstaat vorbereiten, bzw. im Ernstfall die Grundfunktionen der staatlichen Infrastruktur aufrechterhalten soll. Die Pläne für dieses sogenannte milCERT (militärisches Computer Emergency Readiness Team) wurden unter der Federführung des u. a. auf Kommunikationstechnologie spezialisierten Inlandsnachrichtendienstes des Bundesheeres, des Abwehramts, entwickelt. Das Vorhaben ist zwar noch nicht abgeschlossen, steht aber „kurz davor“, wie Projektleiter Christof Tatschl, Oberst des Generalstabes, sagt.

Als zentrale Aufgaben des milCERT sieht das Bundesheer einerseits Prävention, andererseits die Handlungsfähigkeit im Ernstfall. So soll die Einheit künftig die CERTs anderer Einrichtungen (Bundeskanzleramt, große Unternehmen) über aktuelle Bedrohungen informieren, damit sich diese vorbereiten können. Um überhaupt davon zu erfahren, sind sehr enge Kontakte zur Wirtschaft und zu ausländischen Nachrichtendiensten nötig. Betroffene sprechen nämlich nicht gern über erfolgte Angriffe aus dem Internet.

„Unmittelbare Gefahr“

Ist ein Staat erst einmal ins Visier geraten (Beispiele: siehe Artikel unten), muss die Politik entscheiden, ob dafür die Polizei oder das Militär zuständig ist. „Um das zu klären, wird es Begleitgesetze zur neuen Sicherheitsstrategie geben müssen“, glaubt Walter Unger, Leiter der Abteilung für IT-Sicherheit im Abwehramt. Hintergrund: Bei konventionellen Kriegen ist in der Regel klar, wer hinter den angreifenden Truppen steht. Bei Attacken aus dem Cyberspace ist es schwer bis unmöglich zu erkennen, ob es sich beim Gegner um einen anderen Staat, Terroristen oder andere Kriminelle handelt.

Jedenfalls wollen die Strategen im Verteidigungsressort nach dem Wegfall des Eisernen Vorhangs und der Einbettung Österreichs in die EU mit dem Cyberspace die erste offene Flanke seit Langem entdeckt haben. In einem Vortrag für den Ministerrat (Mai 2012) heißt es, dass „Attacken aus dem Cyberspace (...) eine unmittelbare Gefahr für unsere Sicherheit sowie das Funktionieren von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft“ darstellen.

Im schlimmsten Fall rechnen die Militärs mit Hacker-Attacken auf mehrere Bereiche gleichzeitig. Wegen der immer stärkeren Vernetzung von Strom- und Telekom-Netz, Banken- und Geldversorgung, Spitälern, Bundesbahnen und Wasserversorgung ist – zumindest theoretisch – bei hochwertig geplanten Angriffen das „Runterfahren“ eines ganzen Landes möglich, ohne auch nur einen einzigen Schuss abzugeben.

Das Abwehrinstrument milCERT könnte innerhalb der nächsten drei Jahre den Grundbetrieb aufnehmen. Dabei ist die Finanzierung der Ausrüstung das geringste Problem. Das Abwehramt schätzt den Investitionsbedarf auf „mehrere hunderttausend Euro“. Schwieriger wird es, Personal zu bekommen. Mehrausgaben sind nach den Vorgaben des Finanzministeriums ausgeschlossen, weshalb aus anderen Einheiten Planstellen umgeschichtet werden müssen. Doch auch das darf das Ressort nicht selbstständig tun. Derzeit gibt es erste Kontakte mit der zuständigen Beamtenministerin.

Schwierig wird auch das Engagement der nötigen IT-Experten aus der Wirtschaft, die im Bundesdienst deutlich schlechter verdienen würden. Dort denkt man derzeit darüber nach, Spitzenleute mit befristeten Verträgen zu locken. Die Überlegung: Ein paar Jahre Arbeit im Umfeld eines Nachrichtendienstes würde deren Marktwert für die spätere Karriere in der Wirtschaft weiter steigern und vorübergehende Gehaltseinbußen im Bundesdienst rechtfertigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2012)

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