3-D-Drucker: Die Fabrik im Wohnzimmer

3DDrucker Fabrik Wohnzimmer
3DDrucker Fabrik Wohnzimmer(c) REUTERS (RICK WILKING)
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Langsam setzen sich 3-D-Drucker durch. Manche sprechen schon von der dritten industriellen Revolution und träumen von der Fabrik im eigenen Wohnzimmer. Österreicher mischen ganz vorn mit.

Zsss macht der Drucker. Mit jedem „Zsss“ schiebt er eine feine, weiße Pulverschicht über die etwa 38 mal 20 Zentimeter große Fläche, die langsam immer höher wird. Als der Drucker stoppt, öffnet Thomas Grössing die Abdeckung, saugt mit einem Schlauch das weiße Pulver weg und legt ein komplettes Haus frei: mit Balkon, Treppen, einer kleinen Säule und sogar einem winzigen Baum auf dem Rasen.

„Wir können auch eine Kaffeetasse drucken oder eine Spielfigur“, erklärt Grössing, der das Modell vorsichtig in den Trockner gibt, wo es mit einer feinen Klebeschicht überzogen wird. „Oder einen Ball, ein Relief – was auch immer.“ Das Prinzip ist klar: Was immer man sich vorstellen kann, kann man hier mit einem 3-D-Drucker auch ausdrucken. So, wie man es sich von einem Copyshop erwartet, in dem die Zukunft angekommen ist. In diesem Fall in der Burggasse 117 in Wien.

Der Drucker, der hier bei „Plankopie Eder“ steht, könnte die Welt verändern. Das britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“, nicht bekannt für lustvolle Übertreibungen, schreibt von der „dritten industriellen Revolution“ und „Foreign Affairs“ schwärmt, dass bald jeder zu Hause seine eigene Fabrik betreiben kann. „Die 3-D-Drucker werden einen Paradigmenwechsel bringen, so wie einst das Desktop Publishing“, meint der Wiener Zukunftsforscher Andreas Reiter.


Arbeitskosten zweitrangig. 3-D-Drucker gibt es zwar seit mehr als 20 Jahren, aber erst in den vergangenen Monaten ist das Thema in der Öffentlichkeit angekommen. Viel dazu beigetragen haben leistbare Drucker, wie sie etwa Makerbot oder Cube anbieten (ab 1500 Dollar) und Selbstbauanleitungen, die im Internet kursieren. Und natürlich die Fantasie potenzieller Nutzer: Das Ersatzteil für den Geschirrspüler, das man nicht mehr kauft, sondern zu Hause ausdruckt; die neue Hülle für das iPhone, die man selbst produzieren und verkaufen kann; der Sonderzug für den Modellbaufreak.

Das freilich sind nur Nebenerscheinungen einer Entwicklung, die die Wirtschaft in den kommenden Jahrzehnten revolutionieren könnte. Denn mit der Verbreitung von 3-D-Druckern ändert sich auch die Produktion. Gingen Firmen bisher ins Ausland, weil die Arbeit dort billiger war, kann man künftig auch in den Heimatländern fertigen und so schneller auf Entwicklungen reagieren. Die Boston Consulting Group hat errechnet, dass zehn bis 30 Prozent der Güter im Computer-, Metall- und Maschinenbaubereich, die die USA derzeit aus China importieren, im Jahr 2020 zu gleichen Kosten in den Vereinigten Staaten gefertigt werden können. Das würde die Wirtschaft mit 20 bis 55 Milliarden Dollar pro Jahr beleben.

General Electric (GE) kaufte Ende vergangenen Jahres die Firma Morris Technologies, die industrielle 3-D-Drucker um 500.000 Dollar und mehr produziert. GE will mit ihnen in den USA Teile für Flugzeugtriebwerke herstellen.

„Die Produktion wird dezentralisiert“, glaubt Reiter. „Es wird ein paar Zentren geben mit 3-D-Druckern, in denen man alles Mögliche herstellen kann.“ Zudem werde die Herstellung vom Produzenten zum Konsumenten verlagert werden. „Man wird nicht mehr Waren kaufen, sondern sie selbst ausdrucken.“ Mit gravierenden Folgen: Die Logistik wird sich dramatisch verändern, weil nicht mehr alles verschickt werden muss.


Hüftgelenk aus dem Drucker. 3-D-Drucker arbeiten auf verschiedene Arten. Der Drucker, den Helmut Eder für sein Kopiergeschäft in Wien Ende 2011 für 80.000 Euro angeschafft hat, presst Pulver in eine Form, die mit Klebstoff gehärtet wird. Das Objekt wächst im Drucker um hundertstel Millimeter, daher dauert der Ausdruck oft Stunden, ist aber unglaublich detailliert. Vor allem Architekten nützen Eders Dienste, um Modelle von neuen Wohnanlagen und Häusern herzustellen. Geschirrdesigner haben bereits Prototypen für Teller, Schalen und Besteck mit dem Pulverdrucker realisiert.

Eine andere Methode verwendet der Drucker im „Happy Lab“, einer offenen Werkstätte in Wien. Hier wird Plastik zu einem massiven Stück verschmolzen. Damit lässt sich tatsächlich ein Ersatzteil für einen Geschirrspüler herstellen, das es nicht mehr gibt. „Wir haben auch schon Raketen für einen Künstler gedruckt oder einen Zahnbürstenhalter“, erzählt Karim Jafarmadar, Ko-Gründer des „Happy Lab“.

In der Industrie arbeiten 3-D-Drucker mit Titan, Aluminium und vielen anderen Metallen. Herstellen kann man nicht nur einen Gegenstand, sondern ein fertiges Produkt mit Gelenken und Zahnrädern. Man kann beispielsweise in einem Guss ein Modellauto drucken mit Türen, die sich öffnen und Rädern, die sich drehen lassen. Nichts muss mehr zusammengeklebt, geschraubt oder geschweißt werden.

Grenzen setzen nur noch die Größe der Objekte (EADS-Techniker druckten bereits ein fertiges Fahrrad, nur die Reifen fehlten) und die Materialen. Und in beiden Bereichen ist Österreich führend. Bei der Größe – oder eher der Kleinheit etwa: Techniker der TU Wien druckten im Frühjahr 2012 ein Modell des Stephansdoms samt Türmen und Fenstern, das weitaus kleiner ist (50 Nanometer) als ein Sandkorn. Und das mit einer Geschwindigkeit, die man bisher von 3-D-Druckern nicht kannte. „Unser Gerät schafft in einer Sekunde fünf Meter“, erklärt Jürgen Stampfl.

Ebenfalls an der TU Wien entwickelten Johannes Homa und Johannes Patzer ihren einzigartigen Drucker: Er kann Keramikteile fertigen – auch das einzigartig auf der Welt. „Man muss Gegenstände nicht mehr aus einem Teil herausschleifen, sondern stellt sie ganz neu her“, erklärt Homa. Die Möglichkeiten sind vielfältig: „Man kann damit Dinge herstellen, die man bisher nicht aus Keramik fertigen konnte.“ Damit ergeben sich ganz neue Nutzungsmöglichkeiten für Keramikteile, die extreme Belastungen und sehr hohe Temperaturen aushalten.

Mit dem Drucker lassen sich beispielsweise individuell angepasste Knochen herstellen. „Man macht eine Computertomografie und kann so ein ganz speziell auf diesen Patienten zugeschnittenes Produkt ausdrucken“, sagt Homa. Die Passgenauigkeit ist mit dieser Methode nicht zu überbieten. Derzeit arbeiten Thoma und Patzer daran, den Keramikdrucker über ihre Firma „Lithoz“ weltweit zu vertreiben.

Mit dem Fortschritt und der Verbreitung von 3-D-Druckern tun sich freilich auch ganz neue Herausforderungen für Regierungen und Firmen auf: Ein US-Waffenfreak stellte vergangenes Jahr ein Magazin für eine Maschinenpistole her, das normalerweise nicht öffentlich erhältlich ist. In Deutschland wiederum machten Studenten Schlüssel nach, die jede Art von Polizeihandschellen öffnen können. Auch das Kopieren von Gegenständen wird mit den 3-D-Druckern leichter: Man kann sich beispielsweise jenen einzigartigen Salzstreuer oder Sessel nachmachen, den ein Designer oder Künstler als Einzelstück in einer Ausstellung gezeigt hat. „Das wird eine ähnliche Herausforderung wie damals, als es plötzlich möglich war, Musik zu kopieren“, glaubt Zukunftsforscher Reiter.

Noch freilich überwiegt die Freude am Neuen und an den Möglichkeiten. Im „Happy Lab“ hat der Drucker gerade einen weiteren Auftrag fertiggestellt. Ein älterer Herr holt die Teile heraus, die aussehen wie kleine Legosteine. „Das“, erklärt er, und stellt sie auf winzig kleine Gleise, „ist ein Zug.“

Der 3-D-Drucker für zu hause

In Wien gibt es zwei Anbieter, die 3-D-Drucke möglich machen.

Plankopie Eder in der Burggasse. Hier kann man gipsähnliche Modelle drucken bis zu einer Größe 20 x 28 x 38 Zentimeter. Der Kubikzentimeter kostet 1,40 Euro.

Happy Lab in der Haussteinstraße 4 im zweiten Bezirk. Wer Mitglied ist (drei Euro pro Monat), kann den 3-D-Plastik- drucker (20 x 20 x 30 cm) nützen. Kosten: 0,45 Euro pro cm3.

Für den Heimgebrauch werden verschiedene 3-D-Drucker angeboten, die stetig billiger werden.

Replicator 2 von MakerBot schafft sehr feine Details und kostet ab 2000 Euro.

Cube und CubeX drucken auch in verschiedenen Farben. Ab 1569 Dollar.

Selbermachen. Wer geschickt ist, baut sich um 500 Euro selbst einen Drucker, z. B. damit: reprapbook.appspot.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2013)

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