Der Lehrer im Füller

Lehrer Fueller
Lehrer Fueller(c) beigestellt
  • Drucken

Passiert am PC ein Schreibfehler, wird er sofort rot markiert. Künftig ist diese Hilfe aber auch bei handschriftlichen Texten möglich.

Alarm!“, titelte die „Bild“-Zeitung vergangenes Jahr. Die gute alte Handschrift würde aussterben. Und der Schuldige war schnell gefunden: der Computer. Etwa zur gleichen Zeit entstand in Deutschland ausgerechnet ein digitaler Helfer, der das korrekte Schreiben per Hand lehrt. Angefangen hat alles bei Hausaufgaben. Mandy Wolsky, selbst Pädagogin, hat ihrem Sohn dabei geholfen und manche Schreibfehler entgingen sogar ihrem prüfenden Blick. Wäre doch praktisch, wenn sich der Stift selbst meldete, wenn ein Fehler passiert. Bei Mandys Ehemann, Falk, stieß die Idee sofort auf offene Ohren. Der junge Vater hatte bereits unter anderem für IBM und Montblanc als Softwareentwickler gearbeitet – die besten Voraussetzungen also für ein solches Projekt.


Erstes Wort: »Mama«. Das Ergebnis ist ein Stift, der vibriert, wenn ein fehlerhaftes Wort geschrieben wird oder die Schrift schlampig ist. Ein Konzept, das auch von Lehrern begrüßt wird, da Schüler auf Fehler bereits dann aufmerksam gemacht werden, wenn sie entstehen. Der Lernstift ist ergonomisch geformt, obwohl in der Hülle ein ganzer Computer steckt, der auf Linux basiert. Einige Bewegungssensoren sorgen dafür, dass die Schreibbewegung erfasst wird und dank eines WLAN-Moduls lassen sich die Daten auch an Anwendungen auf Smartphones, Tablets oder Computern schicken. Notwendig ist das aber nicht – der Lernstift funktioniert auch ganz alleine. Nutzer können übrigens selbst entscheiden, ob sie mit einer Füllfeder, einem Kugelschreiber oder einem Bleistift schreiben wollen – die Spitze ist austauschbar. Für die Handschrifterkennung sorgt eine bekannte und viel erprobte Software, die auch bei Touchscreens zum Einsatz kommt. Um einen Buchstaben zu erfassen, benötigt sie lediglich 20 Millisekunden. Derzeit erkennt der Sensor noch lediglich zwei typische erste Wörter: „Mama“ und „Papa“, aber der Stift wird schnell dazulernen, denn bereits für September sind Tests in Schulen geplant – unter anderem in Salzburg. Der Lernstift wird dann zwei Disziplinen beherrschen, zwischen denen mit einem Schieberegler gewechselt werden kann. Die Erkennung von Fehlern in einzelnen Wörtern und die Erkennung von schlampig geschriebenen Buchstaben. Später soll auch noch die Königsdisziplin folgen: Fehler in ganzen Sätzen, also Grammatik und Orthografie. Außerdem wird der Stift mit Apps für Smartphones zusammenarbeiten, die dann zum Beispiel Übungsprogramme bieten oder Fehlerstatistiken anzeigen. Auch für Schulen soll es spezielle Anwendungen geben, mit denen ein Lehrer Schreibfehler bereits während der Schreibübung überwachen kann. Außerdem ließen sich die geschriebenen Texte mehrerer Schüler in Echtzeit auf eine digitale Tafel übertragen. Um möglichst viele gute Programme bieten zu können, wird es auch eine Programmierschnittstelle für Entwickler geben.

Bis der Lernstift bei Hausaufgaben helfen kann, wird es aber noch dauern. Derzeit sammelt das Team um Frank Wolsky auf der Finanzierungsplattform Kickstarter Geld von Unterstützern. 120.000 britische Pfund (rund 138.000 Euro) sind das Ziel. Eine Woche vor Ende der Kampagne liegt der Betrag erst bei knapp 25.000 Pfund. Wer mindestens 89 Pfund zahlt, erhält einen der ersten Lernstifte, sobald sie produziert sind. Immerhin: Der Lernstift ist nicht nur von Fanspenden abhängig. Auch etliche Firmen und Bildungseinrichtungen unterstützen das Projekt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.