Im Netz der Anbieter

Österreich. In den Datenbanken der Handy- und Internet-Provider schlummert die Kommunikation einer ganzen Nation.

In den folgenden Punkten erfahren Sie, was Ihre Handy- und Internet-Anbieter über Sie wissen.

1. Welche Daten werden bereits aufgezeichnet?Handy- und Internet-Anbieter speichern üblicherweise die Verkehrsdaten ihrer Kunden, also technische Informationen zur Verbindung. Inhalte werden nicht aufgezeichnet. Bei Handy-Telefonaten wird häufig die Seriennummer des Geräts, die Nummer der verwendeten SIM-Karte, die Funkzelle, in der das Gespräch begonnen wurde, und die Dauer des Gesprächs erfasst. Bei Internet-Verbindungen ist die Protokollierung komplizierter. Die Erfassung der besuchten Webseiten wäre technisch zwar ohne weiteres möglich, für den Internet-Anbieter aber uninteressant. Was aber aus technischen Gründen häufig für einige Tage gespeichert wird, sind Email-Verkehrsdaten – also Protokolle, wer Emails an wen versendet hat. Die Inhalte der Nachrichten werden dabei nicht erfasst.

2. Warum werden die Daten überhaupt erfasst?Die Speicherung von Verbindungsdaten ist bis zu einem gewissen Grad wirtschaftlich und technisch notwendig. Einerseits brauchen die Unternehmen die Informationen im Falle von Rechnungseinsprüchen (Rufnummernachweis). Andererseits werden die Daten bei der Wartung und Optimierung der Netze genutzt und ermöglichen die Erkennung von Fehlern. Auch viele illegale Aktivitäten – etwa das Versenden von Spammails – können erst im Nachhinein verfolgt werden.

3. Wie lange werden diese Daten gespeichert?Derzeit ist die Speicherdauer durch Datenschutz-Bestimmungen geregelt. Jeder Anbieter darf nur jene Daten speichern, die er aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unbedingt braucht. Zudem ist er gesetzlich zur Löschung der Datenbestände verpflichtet, sobald diese nicht mehr benötigt werden. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass bei Handy-Verbindungen die Daten spätestens nach acht Monaten gelöscht werden.

4. Was lässt sich aus den Daten lesen?Obwohl überwiegend technische Daten gespeichert werden, enthalten diese viele persönliche Informationen. Bei Handy-Daten ist es beispielsweise möglich, über Monate präzise Bewegungsprofile zu erstellen – im städtischen Bereich kann sogar die Wohnung bestimmt werden, in der sich die Person aufhält. Sind die Daten mehrerer Personen vorhanden, könnten komplexe Beziehungsnetzwerke erstellt werden. Die Internet-Daten hingegen enthalten derzeit kaum verwertbare Informationen – abseits von Transfervolumen und Verbindungszeiten.

5. Was würde sich mit der Vorratsdatenspeicherung ändern?Die Vorratsdatenspeicherung würde eine massive Ausweitung und Vereinheitlichung der Datenspeicherung bewirken. Derzeit entscheidet jeder Anbieter selbst welche Daten er erfasst und wie er sie speichert. Dadurch ist ein Abgleichen der Daten unterschiedlicher Provider derzeit sehr aufwendig. Die Speicherdauer ist derzeit gesetzlich begrenzt. Die Vorratsdatenspeicherung würde die Situation verkehren: Alle Anbieter sollen damit gesetzlich dazu verpflichtet werden, genau definierte Daten zu erfassen und für einen bestimmten Zeitraum zu speichern. Erstmals müsste auch Internet-Verbindung erfasst werden. Eine Entscheidung über die Speicherdauer ist noch nicht gefallen, sie dürfte aber zwischen sechs Monaten und einem Jahr liegen.

6. Was versteht man unter dem Bundestrojaner?Beim Einsatz eines Bundestrojaners werden – im Gegensatz zur Vorratsdatenspeicherung – nicht nur Internet-Verkehrsdaten, sondern auch alle Inhalte der Kommunikation erfasst. Zudem ermöglicht er den Behörden auch Zugriff auf Daten, die am Computer gespeichert sind. Versteht man die Vorratsdatenspeicherung als präventiven Lauschangriff, kann der Einsatz des Bundestrojaners mit einer virtuellen Hausdurchsuchung verglichen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2008)

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