Künstliche Intelligenz: Ein Roboter trampt durch Kanada

(c) REUTERS (PAUL DARROW)
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"Hitchbot" hat die Größe eines Kindes und reiste in knapp vier Wochen per Anhalter durch Kanada. Die Tour des Roboters sorgte landesweit für Furore.

Ottawa. Nach einer mehr als 6000 Kilometer langen Tour durch Kanada ist Hitchbot, der trampende Roboter, an seinem Ziel am Pazifik angekommen. In Victoria auf der Vancouver-Insel wurde der Roboter, der in den vergangenen dreieinhalb Wochen zu einem Medienstar avancierte, von Vertretern indianischer Nationen begrüßt und mit einem Kanu durch den Hafen von Victoria gefahren. Offizielle Endstation der Reise, die in Halifax am Atlantik begonnen hatte, war am Donnerstag die Open-Space-Gallerie in Victoria.

Vor dem Empress Hotel von Victoria wurde Hitchbot zum Afternoon Tea begrüßt. Der etwa einen Meter große Roboter wurde auf einen roten Ledersessel platziert, vor sich feines Porzellan. Auf dem Kopf trug er eine rote Feder: Die indianische Esquimalt-Nation hatte ihm den Kopfschmuck geschenkt, der aber nicht aus geheiligten Adlerfedern, sondern gefärbten Gänsefedern bestand. Die Songhee-Indianer paddelten mit ihm in einem 15 Meter langen Kanu aus Zedernholz durch den Hafen, und er besuchte Gemeinden der Tsawout-, Tsyecum- und Pauquachi-Indianer.

Schwimmnudeln als Arme und Beine

Hitchbot, offiziell hitchBOT geschrieben, ist ein Kunstprojekt, das testen soll, wie Mensch und Roboter miteinander umgehen. Geschaffen wurde die vermenschlichte Maschine von Frauke Zeller, Professorin an der Ryerson-Universität in Toronto, ihrem Kollegen David Harris Smith von der McMaster-Universität in Hamilton und Studenten. „Hitchbot war von Anfang an als ein offenes Kunstprojekt konzipiert. Es hat eine Eigendynamik entwickelt, die all unsere Erwartungen übertroffen hat“, sagte Frauke Zeller. „Durch die große Resonanz in den sozialen Medien hat sich Hitchbot zu einem partizipativen Kunstprojekt und ,Social Event‘ entwickelt, mit tausenden von Menschen, die daran Interesse haben.“

Mit Erstaunen haben die Forscher verfolgt, wie Hitchbot die Menschen ansprach und wie sie mit ihm umgingen, fast liebevoll, als sei er wirklich ein Mensch und nicht nur eine Maschine – mit einem Kopf, der eine Kuchenhaube ist, in der sich Solarzellen befinden, einem Kübel als Körper und Armen und Beinen, die aus blauen Schwimmnudeln geformt wurden, und mit Gummistiefeln. Angetrieben wird er durch Solarzellen, manchmal muss er aber an eine Stromquelle angeschlossen werden. Sein Gesicht besteht aus LED-Lichtern. Ein Spracherkennungssystem ermöglicht es ihm, mit den Menschen, die ihn auf der Reise mitnehmen, in einen Dialog zu treten. Er ist mit Twitter, Facebook und Instagram verbunden und kann Fotos von seinen Begegnungen senden.

Ein Tanz mit der Braut

Auf seiner abenteuerlichen Reise per Anhalter war Hitchbot auf sich allein gestellt. Autofahrer nahmen ihn auf dem Trans Canada Highway mit. Nach Ankunft in den Rocky Mountains war er 24 Stunden verschwunden. Jemand hatte vergessen, ihn rechtzeitig wieder aufzuladen. Dann tauchte er auf einer Hochzeitsfeier auf und tanzte mit Braut und Bräutigam. Zuvor war er Ehrengast bei einem Powwow auf Manitoulin Island in Ontario und hatte von den Indianern den Ehrennamen Biiabkookwe (Eiserne Frau) bekommen. Weitgehend unbeschadet kam er in Victoria an, eine „Wunde“, ein Riss am Kopf, wurde mit Klebeband „geheilt“.

Hitchbot hat 34.000 Follower auf Twitter und 45.000 Freunde auf Facebook. Viele äußerten sich enttäuscht, als Hitchbot an ihren Gemeinden vorbeifuhr, ohne anzuhalten. Die Prärieprovinzen durchquerte er mit wenigen Stopps in ein paar Tagen. Neufundland und Labrador sah er überhaupt nicht, auch nicht den Norden Kanadas. „Wir haben Anfragen aus anderen Ländern erhalten. Hitchbot wird wiederkommen“, sagt Frauke Zeller.

Vielleicht steht der Roboter eines Tages am Straßenrand, irgendwo in Europa, und hebt mit einem „Smiley“-Lächeln im Gesicht den rechten Arm mit dem ausgestreckten Daumen, um eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2014)

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