Die soziale Spielwiese schwächelt

(c) REUTERS (ERIC THAYER)
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Mit mehr als einer Milliarde Nutzern ist Facebook die unangefochtene Nummer eins der Social Networks. Doch Innovation geschieht woanders.

Facebook habe seinen Reiz für junge Nutzer verloren. So oder so ähnlich tönt es schon seit ein bis zwei Jahren aufgrund diverser mehr oder weniger seriöser Studien. Und tatsächlich greifen Jugendliche bis Mittzwanziger lieber auf andere Plattformen zurück – auch, weil oft ihre Eltern schon längst den blauen Riesen der Social Media bevölkern. Nach mehr als zehn Jahren auf dem Markt machen sich naturgemäß gewisse Alterserscheinungen bemerkbar. Der fünfzigste FarmVille-Klon lockt niemanden mehr hinter dem Ofen hervor, und auf „Gefällt mir“ zu klicken ist Teil des Alltags geworden.

Der Erfolg von anderen Plattformen wie Instagram und Snapchat zeigt, dass durchaus noch Potenzial für andere Pfade abseits des vertrauten Posten und Kommentieren möglich ist. Das hat offenbar auch Facebook erkannt und kauft immer mehr seiner potenziellen Konkurrenten auf. Instagram wurde bereits einverleibt, der beliebte Messaging-Dienst WhatsApp kam danach dran: für die stolze Summe von 19 Milliarden US-Dollar (davon zwölf Milliarden in Facebook-Aktien). Dass Facebook beim Thema Messaging durchaus noch etwas dazulernen könnte, zeigte der Wirbel rund um die Entscheidung, die früher in diversen Smartphone-Apps integrierte Chat-Funktion in eine separate App auszulagern. Doch wie nach dem Erwerb von Instagram, als Facebook wegen geänderter Nutzungsbedingungen heftig in die Kritik kam, blieb den Nutzern nichts anderes übrig, als murrend die neue Situation zu akzeptieren.


Innovation. Aufgrund seiner Größe, aber auch seines Erfolgs ist Facebook etwas starr geworden. Wahre Neuerungen auf dem Gebiet passieren woanders. Dass die Nutzer bereit sind, etwas Neues zu probieren, zeigt der exponentielle Ansturm auf das neue, entschleunigte und werbefreie Social Network Ello (siehe Bericht auf Seite 44), aber auch die immense Nutzungsintensität von Snapchat.

Einst verschrien als Werkzeug, um Nacktbilder zu verschicken (verschickte Bilder werden automatisch wieder gelöscht), ist Snapchat inzwischen zu einem ernst zu nehmenden Mitspieler auf der Social-Media-Bühne geworden. Ein Beleg dafür ist die auf YouTube verfügbare Kurzdokumentation „Snapchat Murders Facebook“, in der ein Aufruf an eine Million Nutzer zu einem Treffen in einem Park von New York verschickt worden ist. Dieser erreichte innerhalb von 16Minuten 142.000 Nutzer, hunderte tauchten wenig später auch tatsächlich auf.

Die Botschaft dieses und anderer Berichte lautet, dass andere Plattformen inzwischen tiefere Interaktionen und mehr Spaß am Pflegen von Online-Kontakten als Facebook bieten. Dieses scheint ein wenig seine Flexibilität aus den Zeiten, als Firmenchef Mark Zuckerberg das Portal noch aus seinem Studentenzimmer in Harvard entwickelt hat, verloren zu haben. Immerhin müssen inzwischen auch diverse hartgesottene Finanzinvestoren und auf Ertrag fokussierte Aktionäre zufriedengestellt werden.

Aber Totgesagte leben ja bekanntlich länger. Facebook muss sich schon seit einiger Zeit mit diversen Unkenrufen auseinandersetzen. Dennoch wird das weltgrößte Social Network wohl noch länger genau diesen Titel beibehalten. Während Instagram und WhatsApp sich dem Giganten bereits unterworfen haben, leistet Snapchat noch Widerstand. Berichten zufolge lehnte dessen Gründer ein Angebot in Höhe von drei Milliarden Dollar ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2014)

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