Mit der D750 hat Nikon die fast perfekte Vollformatkamera geschaffen. Wir ließen sie gegen Canons 5D III antreten.
Es ist eine ewige Schlacht. Hier Canon, da Nikon - der Kampf der zwei größten Kamerahersteller der Welt. Einmal lag Canon voran, weil der Autofokus treffsicherer und schneller war. Dann konnte Nikon wieder viele Profis gewinnen, weil Canon gewaltige AF-Probleme mit dem Profigerät 1D III hatte.
Für viele Amateure ist das Thema mehr eine Glaubensfrage, als eine technische Frage. Die Unterschiede der Kameras im Einsteigerbereich sind marginal. Auch ganz oben in der Profiklasse gibt sich keiner der beiden Hersteller eine Blöße: Canon bietet Sport- und Tierfotografen die 1Dx mit 18 Megapixel und 12 Bildern pro Sekunde (ohne AF-Nachführung sogar 14), Nikon hat die D4s mit 16 Megapixel, 11 Bildern pro Sekunde und einem ausgezeichneten Rauschverhalten bei hoher ISO-Zahl.
Die Unterschiede tun sich im mittleren Vollformat-Bereich auf, der für die Hersteller wegen der größeren Stückzahlen und guten Margen interessant ist. Den anspruchsvolleren Amateuren oder Profis, die nicht hauptsächlich Sport fotografieren, bietet Nikon gleich drei Gehäuse (D750, D610 und das konkurrenzlose Megapixel-Monster D810), Canon zwei (5DIII, 6D).
Vor allem für die D750, die im Herbst vergangenen Jahres präsentiert wurde, hat Nikon viel Lob bekommen (trotz eines Flare-Problems, das derzeit kostenlos behoben wird). Was aber hat Canon der "Kamera des Jahres 2014" (US-Magazin Popular Photography) entgegenzusetzen? Hat der größte Kameraanbieter überhaupt einen adäquaten Konkurrenten? Wir haben die Canon 5D III in einem einwöchigen Test gegen die D750 antreten lassen.
Äußerlichkeiten
Der auffälligste Unterschied zwischen den beiden Kameras ist der eingebaute Blitz. Canon bietet ausklappbare Blitze nur in seinen Einsteigermodellen und in der Profi-APS-C-Kamera 7D (I und II). Man hält den kleinen Blitz offenbar für eine reine Spielerei für Amateure. Nikon dagegen bietet ihn in allen Modellen an, sogar in der D810.
Und damit punktet Nikon klar. Nicht nur, weil es immer wieder Situationen gibt, in denen man einen kleinen Aufhellblitz benötigt und keinen mithat. Da kann ein eingebauter Blitz das Bild retten. Sondern vor allem auch wegen der Möglichkeit, mit dem Kamerablitz andere, externe Blitzgeräte zu steuern.
Auch angenehm: Nikons Monitor auf der Kamerarückseite ist ausklappbar und schwenkbar. Man kann damit also problemlos über die Köpfe einer Menschenmenge fotografieren oder muss bei Aufnahmen aus der Froschperspektive nicht auf allen Vieren auf dem Boden liegen. Die Nikon liegt auch dank des weit vorgezogenen Haltegriffs besser in der Hand.
Gleichstand bei den Spezifikationen
Rein nach den Spezifikationen gibt es nur wenige Unterschiede. Die zwei Megapixel, die die Nikon mehr hat als die Canon, fallen in der Praxis kaum ins Gewicht (24 vs. 22 Megapixel). Auch nicht das halbe Bild pro Sekunde, mit dem die D750 die 5D III schlägt (6,5 Bilder pro Sekunde statt sechs Bilder). Beide Kameras bieten zwei Speicherslots, bei Nikon sind beide für SD-Karten vorgesehen, bei Canon eine für CF-, eine für SD-Karten.
Die ISO-Einstellung geht bei Nikon bis 12.800, erweitert bis 51.200. Bei Canon kann man auch ISO 102.400 einstellen - macht das aber nur einmal. Die Ergebnisse sind schlicht nicht brauchbar (das gilt für beide Kameras auch schon bei 51.200). Aber die ISO-Zahl bei Kameras wird immer mehr, was die Geschwindigkeitsanzeige bei Autos ist. Für manche mag das auch bei der Belichtungszeit gelten: Canons 5D III hat 1/8000 Sekunde, Nikons D750 1/4000. Hilfreich ist die kürzere Belichtungszeit der Canon, wenn man an einem sehr sonnigen Tag mit einer möglichsten kleinen Blende (1.4; 1.8) fotografieren will.
Autofokus
Bei den AF-Punkte schlägt Canon den Konkurrenten, 61 AF-Punkten hat Nikon 51 entgegenzusetzen. Aber auch das ist in der Praxis eine eher theoretische Diskussione. Wer nicht in der Lage ist, mit 51 AF-Punkten ein scharfes Bild zu machen, der schafft auch mit 61 keines.
Interessanter ist schon, wie schnell der Autofokus ist. Sehr schnell bei der Canon 5D III, wie wir bei einem Fussballspiel feststellen konnten. In Kombination mit einem 300/2.8 gab es kaum ein unscharfes Bild. Bei der D750 kam bei einem Hallenturnier ein 70-200/2.8 zum Einsatz, auch hier waren unscharfe Bilder Mangelware. Wenn man die Kameras ins Labor bringt, kann man wahrscheinlich einen Unterschied feststellen. In herausfordernden Situationen, zu denen wir ein Fußballspiel zählen, nicht.
Dynamik, Rauschen
Bemerkbar ist der Unterschied im Dynamikumfang. So sehr kann man mit der D750 gar nicht unterbelichten, dass man bei der Bildbearbeitung nicht noch verwendbaren Details aus den dunkelsten Stellen herausholen kann (vorausgesetzt man fotografiert im Raw-Format, Nikons NEF). Der Sony-Sensor, den die Nikon verwendet, liefert Ergebnisse, mit denen die um zweieinhalb Jahre ältere 5D III schlicht nicht mithalten kann.
Auch beim Rauschverhalten schlägt die Nikon die Canon. Wobei das ein relativer Wettbewerb ist, weil man in der Praxis selten über ISO 3200 hinausgeht - und hier liefert auch die 5DIII sehr gute Bilder. Die D750 allerdings ist bei ISO 3200 mehr oder weniger rauschfrei.
Fazit
Mit der D750 hat Nikon tatsächlich eine perfekte Vollformatkamera entwickelt. In unserem Test kann sie nicht nur mit der Canon 5D III mithalten, sondern schlägt den Konkurrenten in mehreren Bereichen. Und das, obwohl die Nikon deutlich billiger ist.
Aktuell bekommt man die D750 beim Fachhändler um knapp über 1900 Euro (nur das Gehäuse), für die 5D III bezahlt man 2500 Euro. Canon muss mit dieser Konkurrenz sehr nervös werden - oder bald etwas Vergleichbares vorstellen. Die nächste große Fotomesse, die CP+ in Japan, beginnt Mitte Februar . . .