IBM muss sich wieder neu erfinden

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IBM verkauft schon lange keine Computer mehr, sondern versucht mit Serviceleistungen im Internet Geld zu verdienen. Der Weg dorthin ist aber beschwerlich – und dauert seine Zeit.

Armonk. Mit mehr als 7530 Patenten hat im Vorjahr kein anderes Unternehmen in den USA so viele Erfindungen schützen lassen wie der Softwareriese IBM. Über 8500 Forscher aus aller Welt haben in ihren Labors beinhart an diesem Spitzenplatz gearbeitet. So besonders ist die Position als Nummer eins aber nicht. Immerhin stellte sich der Erfolg bereits zum 22. Mal in Folge ein.

All diese 20 Innovationen pro Tag scheinen aber nur darüber hinwegzutäuschen, dass der IT-Konzern gerade schwierige Zeiten durchlebt. Gerüchten zufolge steht das Unternehmen vor dem Abbau von mehr als 100.000 Arbeitsplätzen oder 26 Prozent seiner Belegschaft. IBM wies Berichte über den größten Umbau in der Firmengeschichte indes als „lächerlich“ zurück.

Die Probleme von International Business Machines wurden zuletzt jedoch immer deutlicher sichtbar. Nicht nur, dass der Aktienkurs mittlerweile auf dem niedrigsten Stand seit 2011 angelangt ist. Auch die Bilanzkennzahlen lassen zu wünschen übrig, wenngleich „Big Blue“, wie das Unternehmen gern genannt wird, noch immer Milliarden verdient. Erst vor wenigen Tagen musste der Software-Riese einen Umsatzrückgang im vierten Quartal einräumen. Wegsehen kommt für Investoren aber kaum infrage, da es in den zehn Quartalen zuvor auch nicht besser gelaufen war. Um seinen Anlegern böse Überraschungen zu ersparen, strich IBM sicherheitshalber gleich seine Gewinnziele für das laufende Jahr zusammen.

Geld für Investoren

Die New Yorker haben die Computergeschichte zwar maßgeblich mitgeschrieben, doch Hardware ist schon lange nicht mehr das Kerngeschäft der Amerikaner. Der Umstieg von Rechenzentren auf Computer gelang dem IT-Riesen einst noch. Doch sind internetbasierte Dienstleistungen die Zukunft, und da versucht IBM gerade Fuß zu fassen. Der Konzern ist nicht allein von diesem Wandel betroffen, andere haben diese Technologierevolution aber früher erkannt. Computer verkaufen sich heute einfach schlechter als vor zehn Jahren, weil ihnen tragbare Geräte wie Tablets oder Smartphones den Rang abgelaufen haben. Im Vorjahr schrumpfte der Markt auf über 300 Millionen Stück zusammen.

Erst im vergangenen Herbst stieß IBM seine defizitäre Halbleitersparte an den Auftrags-Chipfertiger Globalfoundries ab. Was sich zunächst gut anhörte, verunsicherte jedoch: Man ließ sich nämlich das Versprechen abnehmen, dem Geschäft in den kommenden drei Jahren 1,5 Mrd. Dollar beizusteuern. Entstandene Umsatzverluste können durch die neuen Cloud-Bereiche bisher nicht abgedeckt werden.

Unterm Strich trennte sich IBM in den vergangenen zehn Jahren von Firmensegmenten mit einem Jahresumsatz von 16 Mrd. Dollar. Im August des Vorjahres wurde die Sparte für Kleinserver veräußert, auf die man sich eigentlich nach dem Verkauf des PC-Geschäfts 2005 an Lenovo konzentrieren wollte. Das misslang – und der Bereich landete rund zehn Jahre später erst recht bei den Chinesen. Alles was nicht zur Strategie passe, werde man abstoßen, ließ Finanzchef Martin Schroeder kürzlich wissen.

Vorwürfe musste sich der Konzern auch gefallen lassen, weil er sein Kapital vor allem in die Aufbesserung seiner Finanzkennzahlen steckte. Seit dem Jahr 2000 flossen 108 Mrd. Dollar in Aktienrückkaufprogamme, mehr als 30 Mrd. Dollar wurden für Dividendenzahlungen ausgegeben. Innovationen wie die des Supercomputers Watson sind da vorerst nur ein kleiner Trost. Watson besiegte einst nicht nur die Kandidaten einer Quizshow, sondern kann ebenso aus allen Daten eigene Schlüsse ziehen.

Der Druck auf Firmenchefin Virginia Rometty wächst also. Die 57-Jährige übernahm den Chefposten des IT-Riesen vor rund drei Jahren. Die Fußstapfen ihres Vorgängers, Sam Palmisano, sind groß, galt er doch als einer der erfolgreichsten Manager in den USA. Rometty hatte 1981 als Systemtechnikerin bei dem Computerkonzern angeheuert und sich zur weltweiten Verkaufsleiterin hochgearbeitet. Anlässlich ihrer Ernennung sagte sie: „Sam hat uns vor allem beigebracht, niemals damit aufzuhören, IBM neu zu erfinden.“ Das ist nun ihre Aufgabe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2015)

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