Brandblase vom Löten: Hardware-Start-ups

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In einer Welt der Apps sind Start-ups wie Blinos, die ein unkompliziert zu montierendes Außen-Rollo erfunden haben, oder Fittrack, das einen Trainingsdaten-Sammler für Fitnessgeräte entwickelt, die Ausnahme. Sie kämpfen mit speziellen Herausforderungen.

Das Ökosystem von Start-ups ist eine Welt der Apps und Softwaredienste. Eine Welt von Services, die überwiegend im virtuellen Raum stattfinden. Da sind jene Gründer, die ein tatsächlich greifbares Produkt entwickeln, fast schon so etwas wie Sonderlinge. Dabei gibt es wohl kaum ein Bild, das das Urgefühl das Unternehmertums besser vermittelt als ein Daniel Düsentrieb, der in seiner eigenen Garage lötet, hämmert und schweißt.

Genau das macht gerade das Team von Fittrack. „Wir machen derzeit noch alles selber. Brandblasen vom Löten sind da keine Seltenheit“, sagt Gründer und Geschäftsführer Nicolas Festl. Fittrack ist ein Gerät, das man an Fitnessgeräte anschließen und damit Trainingsdaten sammeln kann. Das Runtastic für das Fitnesscenter quasi. Die künftigen Kunden von Fittrack sind die Fitnesscenter, die das Gerät auf ihren Fitnessmaschinen installieren sollen. Fittrack stellt sowohl Software als auch die Hardware her, also das Gerät, in dem die Software steckt.

Die Tatsache, dass Fittrack ein physisches, greifbares Produkt herstellt, ändert vieles. Sobald sich ein Start-up nicht mehr nur in der Welt der Bits und Bytes bewegt, stößt es auf ganz andere Herausforderungen.


1000 Geräte ändern. Allein schon der Weg vom ersten Prototypen bis zum marktreifen Produkt ist ziemlich hürdenreich. „Wenn du ein Software-Start-up hast, und du hast deine erste Version, dann kannst du relativ schnell testen, schnell 1000 Leute auf deine Site holen und schauen, wie das Ganze funktioniert. Wir brauchen dafür einen Monat und tausend Geräte, die extrem aufwendig zu produzieren sind“, bringt Kevin Köhler, Marketingleiter von Fittrack, die Sache auf den Punkt. „Und wenn wir draufkommen, dass eine Kleinigkeit am Produkt nicht funktioniert, dann müssen wir 1000 Geräte ändern. Damit ist unser Lernprozess langsamer, weil wir weniger schnell valide Daten bekommen und auch nicht so schnell auf sie reagieren können.“

Deshalb sei ein Hardware-Start-up auch viel vorsichtiger damit, mit Dingen „rauszugehen“, auf den Markt also, und sei es nur in kleiner Zahl und zu Testzwecken, meint Stefan Perkmann von Hardwaretribe. Er will für Hardeware-Start-ups in Wien eine eigene Community schaffen. Ein paar Events zu dem Thema hat es bereits gegeben, jetzt ist Perkmann gerade auf der Suche nach einem Ort, wo die Start-ups arbeiten und ihre Prototypen bauen können.

Fittrack nutzt für den Bau ihres zweiten Prototypen oft das Happylab. Das ist ein frei zugängliches Bastel-Laboratorium mit verschiedenen Maschinen wie Lasercuttern, 3-D-Druckern oder CNC-Fräsen, die Hobbyhandwerker und Start-ups gegen eine Gebühr für ihre Projekte verwenden können. Nicht optimal, denn der Andrang bei Fablabs wie dem Happylab ist groß und das Nebeneinander von Amateuren und Profis nicht ganz optimal, wenn man einen Zeitplan einzuhalten hat. „Einen Großteil löten wir bei uns auf dem Schreibtisch“, sagt Ferstl.

Gerade bei den Hardware-Bastlern wäre es sehr sinnvoll, Synergien zu schaffen, etwa bei der Nutzung von Maschinen oder auch später im Vertrieb. „Die Produktion ist ein Riesenthema“, sagt auch Stefan Hofinger, Gründer von Blinos. Er und sein Team haben ein Außenrollo erfunden, das sich ohne Werkzeug montieren lässt. Klingt nicht spektakulär, ist aber tatsächlich eine Marktlücke. „Wir haben lange Zeit selbst nicht glauben können, dass die Idee noch nicht umgesetzt wurde. Deshalb haben wir sehr lange recherchiert“, sagt Hofinger.


Adaptierte Werkzeuge. Jetzt ist die Idee als Patent angemeldet. Die Montage funktioniert, ähnlich wie bei einem Fliegengitter, mit einem Klemmverschluss, der das bei den Rollos hohe Eigengewicht tragen kann. Ein weiterer Vorteil der Rollos: Weil sie außen angebracht sind, können Sie die Hitze, die sich durch die Sonneneinstrahlung entwickelt, viel besser abschirmen als Innenrollos. Blinos ist also ein reines Hardware-Start-up, ganz ohne Software. „Die Produktion ist bei uns sehr komplex, da viele Teile der Rollos keine Standard-Normteile sind. Alles muss separat gefertigt werden, mit eigens dafür adaptierten Werkzeugen. Das ist ein großer Kostenaufwand. Ein Aludruckgusswerkzeug kostet zum Beispiel 60.000 Euro“, erklärt Hofinger.

Da beiße sich bei der Budgetierung die Katze in den eigenen Schwanz: „Teures Werkzeug zu kaufen macht nur dann Sinn, wenn wir hohe Stückzahlen produzieren, aber wir wollen erst wissen, ob das Produkt am Markt funktioniert. Investiert man allerdings nicht in Werkzeug, sind die Herstellungskosten hoch, und die Marge bleibt gering.“

Alles selbst zu machen, ist für die meisten Start-ups natürlich keine dauerhafte Option. Vor allem nicht, wenn es darum geht, in die Massenproduktion einzusteigen. Fittrack hat bereits Kontakte zu Produzenten in China. „Als Hardware-Start-up musst du mit der Produktion relativ schnell nach China gehen. Deshalb haben ganz viele Acceleratoren im Hardwarebereich Chinahintergrund, haben Kontakte in Shenzhen“, sagt Perkmann. Das ist das größte Zentrum Chinas für die Tech-Massenproduktion.


Vom Prototyp zur Masse. In Österreich gibt es noch keine Acceleratoren mit Hardware-Fokus. Die meisten sitzen im Silicon Valley, der bekannteste nennt sich etwas umständlich HAXLR8R. Start-ups, die es schaffen, in einen dieser Acceleratoren zu kommen, werden schon nach China geschickt, wenn sie am ersten Prototypen basteln – was deren Entwicklung enorm beschleunigt. Denn einen Prototypen für Demonstrationszwecke in Eigenregie zu basteln oder etwas herzustellen, was massenproduktionstauglich ist, sind zwei paar Schuhe.

„Unsere Prototypen sind viel größer als die Endprodukte, weil wir nicht mit derselben Technik arbeiten wie die Massenproduktion. Wenn man händisch lötet, müssen die Teile viel größer sein, damit man sie anfassen kann. Wir können ja nicht mit der Pinzette dasitzen“, sagt Bernhard Hackl, der bei Fittrack für die Entwicklung der Hardware zuständig ist. Einstweilen bastelt das Fittrack-Team noch fleißig am zweiten Prototypen. In zwei bis drei Monaten wollen die Gründer dann so weit sein, die Verhandlungen mit Massenproduzenten zu starten.

Hofinger hat nicht vor, die Produktion seiner Außenrollos nach China zu verlagern: „Wir wollen die Produktion so lange wir möglich in Österreich halten, obwohl der Kostendruck enorm ist.“ Eventuell kämen für einfache Produktionsschritte die östlichen Nachbarländer infrage. Das „Basteln“ hat das Blinos-Team übrigens von Anfang an anderen überlassen. „Wir sind beide Wirtschaftsingenieure und sehen uns in der Rolle der Projektmanager. Deshalb arbeiten wir mit externen Partnern zusammen“, sagt Hofinger.


Im Förderloch. Je früher man allerdings Dinge auslagert, desto höher die Kosten. Hardware-Start-ups brauchen also in einem frühen Stadium relativ viel Geld, jedenfalls mehr als Software-Start-ups. Auch später, wenn die Fertigung auf Schiene ist, sind die Kosten hoch. Für Logistik und Vertrieb fallen etwa Kosten wie Porto oder Zoll an. „Es kostet eben Geld, Atome zu bewegen“, sagt Perkmann. Start-ups wie Blinos oder Fittrack sind also chronisch unterfinanziert.

Für unsere Nische gibt es in Österreich keine passenden Förderstrukturen“, sagt Hofinger. „Wir sind jetzt am Punkt, wo wir eine Marktstartfinanzierung bräuchten. Jetzt sind wir aber für eine Startförderung schon zu weit fortgeschritten. Für einen Investor sind wir aber noch nicht weit genug.“ Umso wichtiger sei es, Synergien zu schaffen, um Kosten zu sparen, findet Perkmann, der mit Hardwaretribe genau das vorhat. Und einen Link zu Unternehmen herzustellen, die die Ressourcen bereits haben, für die die Start-ups sonst teuer bezahlen müssen.

Glossar

Hardware-Start-ups.Start-ups, die ein physisch greifbares Produkt verkaufen. Das Gegenteil sind Software-Start-ups, deren Ware virtuell ist (z.B. Apps).

Prototyp. Ein Vorabexemplar für die spätere Serienfertigung. Meist gibt es mehrere Versionen von Prototypen, bevor die Produktion in die Massenfertigung geht. Die Schwierigkeit für die Entwickler ist die, dass eine händisch gefertigte Version von den Anforderungen für die Massenproduktion ziemlich stark abweichen kann.

Accelerator. Eine Institution, die Startups in einem bestimmten Zeitraum durch Coaching, Infrastruktur und Netzwerke zu einer schnellen Entwicklung verhilft.

hart im nehmen

Hardwaretribe will Hardware-Start-ups vernetzen und Infrastruktur für das Prototyping schaffen.
www.hardwaretribe.com

Fittrack entwickelt ein Gerät, das sich an Fitnessgeräte anschließen lässt, um Trainingsdaten zu messen.www.fittrack.at

Blinos ist das erste Außenrollo, das sich werkzeuglos montieren lässt. www. blinos.eu

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2015)

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