Apple Watch: Der Zauber ist verflogen

An attendee tries out an Apple Watch folowing an Apple event in San Francisco
An attendee tries out an Apple Watch folowing an Apple event in San FranciscoREUTERS
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Über 10.000 Dollar soll die Apple Watch kosten. Doch auch die Smartwatch des US-Herstellers zählt bei diesem Preis nicht mehr als 60 Minuten in der Stunde.

Am vergangenen Montag waren die Augen wieder einmal auf Cupertino in den USA gerichtet. Die Erwartungen an Apple und seine erste Smartwatch waren hoch. Doch erfüllen konnte sie der US-Hersteller, der mit dem iPhone und nur drei Jahre später mit dem iPad den Markt revolutioniert hatte, nicht. Selbst im Saal war die Stimmung untypisch verhalten – abgesehen von den Berufsenthusiasten, die meist Apple-Mitarbeiter sind.

Auch Tage danach hagelt es mehr Kritik als Lob für die Apple-Uhr. Denn statt mit Innovationen und einem Alleinstellungsmerkmal zu glänzen, ist der Akku nach einem Tag (oder genauer: nach 18 Stunden) wieder reif für die Steckdose. Apropos Akku: Dieser muss nicht nur täglich geladen werden, sondern auch nach drei Jahren zur Gänze getauscht werden. Ein Problem, das auch bei Smartwatches der Konkurrenz der Fall sein wird. Und technisch gesehen? Auch hier ist die Apple Watch nur Durchschnitt. Kaum eine Funktion, die in der Android-Welt nicht mittlerweile längst zum Standard bei Smartwatches zählt.

Der größte Unterschied zwischen den Geräten der Konkurrenz und der Apple Watch liegt – abgesehen vom iOS-Design – wie gewohnt im Preis. Und hier hat man sich selbst übertroffen. Apple ist bekannt dafür, seine Geräte im hochpreisigen Segment anzusiedeln. Aber bei den drei verschiedenen Modellen der Apple Watch geht das Unternehmen einen entscheidenden Schritt weiter.


Schizophrene Preispolitik. Schon der Einstiegspreis von 349 Dollar für das Einsteigermodell ist gewagt. Bei der Gold-Variante gelten 10.000 Dollar als Ausruf- und Einstiegspreis. Eine Obergrenze scheint es nicht zu geben. Diese Uhr wird auch nicht überall zu haben und zu bestaunen sein. Technisch unterscheiden die Modelle sich überhaupt nicht voneinander. Der einzige Unterschied liegt in den Materialien für Gehäuse und Armband.

Hübsch muss sie sein. So absurd diese Preise auch sind: Sie könnten für Apple wieder einmal das entscheidende Verkaufsargument sein. Eine Uhr ist ein Schmuckstück und gilt nach wie vor bei vielen Menschen als Statussymbol. Man soll sehen, dass man sich eine teure Uhr leisten kann. Die technischen Komponenten sind hier, wie auch bei analogen Uhren, nicht ausschlaggebend. Das Zierstück ist nur in zweiter Linie ein technisches Produkt.

Trotzdem ist und bleibt Apple ein Technikunternehmen. Es wagt sich auf einen Markt für Produkte, bei denen Beständigkeit und Wertsteigerung zählen. Während eine Rolex innerhalb von zehn Jahren an Wert gewinnt, ist die Apple Watch binnen kürzester Zeit hoffnungslos veraltet. Apple-Geräte werden meist bis zu vier Jahren mit Updates und aktueller Software versorgt. Dann ist meist Schluss.

Dieser Problematik hat man sich bislang noch nicht gestellt. Jetzt geht es in erster Linie darum, das Gerät auf so viele Handgelenke zu bringen wie nur möglich. Dabei wird Apple mit Sicherheit wieder milliardenschwere Kampagnen starten. Die Illusion kann das Unternehmen tatsächlich noch aufrechterhalten, aber wirklich zaubern kann auch Apple nicht. Nicht mehr. Was der Hersteller unter Steve Jobs mit dem iPhone und dem iPad geschafft hat, lässt sich vielleicht noch einmal wiederholen. Aber dann liegt es vor allem an der Marke selbst – und nicht daran, dass man gerade im Begriff ist, eine neue Ära einzuläuten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2015)

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