Leistungssport der anderen Art

(c) EPA (Ahmad Yusni)
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Vom Massenphänomen ist der E-Sport noch weit entfernt. Noch kämpft die relativ junge Industrie in erster Linie um Anerkennung.

Ein Spiel, sechs Verlängerungen, 88 Runden insgesamt,eEine Gesamtspielzeit von über zwei Stunden und 40 Minuten – und ein neuer Rekord. Es handelt sich dabei nämlich um das bisher längste in der E-Sport-Geschichte gespielte Match „Counter-Strike: Global Offensive“. Für die beiden Teams, Excel E-Sports und Xenex, sowie die Zuschauer (und davon gibt es mittlerweile viele) war es mit Sicherheit ein nervenaufreibendes und anstrengendes Spiel. Doch als Sport wird es nur selten angesehen. Auch wenn es alle Zutaten gibt, die es auch bei einem herkömmlichen Sport gibt. Und mittlerweile zählen auch Poker, Schach und Snooker als Sportarten. Doch besonders Schach genießt hier einen Sonderstatus.

E-Sport fehlt es, zumindest wenn es nach dem DOSB (Deutscher Olympischer Sport Bund) geht, an der „eigenmotorischen Aktivität“. Zwar lassen sich Computerspiele nicht mit einer körperbetonten Sportart wie Fußball vergleichen, das intensive Training (mehrere Stunden am Tag), die Reaktionszeiten und die Taktiken verlangen aber dennoch höchste Konzentration von den Spielern. Dieser Meinung ist man auch in China, Brasilien und allen voran Südkorea. Besonders dort gilt der digitale Wettkampf mittlerweile als Nationalsport. Und auch hier gewinnt E-Sport immer mehr Anhänger. Nicht nur unter den Spielern, sondern auch bei Zusehern. Diese können aus allen möglichen Perspektiven von zu Hause aus die Partie mitverfolgen. Oder man verfolgt gemeinsam vor Ort das Spektakel.

Publikumsmagnet. Als größte Plattform für die Live-Übertragung von Spielen gilt Twitch. Und auch wenn es sich bei E-Sport nach wie vor um eine Nische handelt, konnte sie in den vergangenen Jahren zahlreiche Anhänger finden. 2014 zählte die seit Kurzem in Amazons Besitz befindliche Plattform über eine Million aktive monatliche Nutzer. Erst kürzlich konnte ein Spiel im Livestream über 400.000 Fans auf die Plattform locken. Im Vergleich zu den Zuschauerzahlen bei einem Champions-League-Endspiel nach wie vor sehr wenig. Aber das steigende Interesse lässt sich nicht bestreiten.

E-Sport als Massensport? Ein aktueller Dokumentarfilm, der in New York auf dem Tribeca-Film-Festival ausgezeichnet wurde, beschäftigt sich mit dieser Frage. Und in erster Linie geht es nicht darum, die Spiele zu verstehen, in denen sich die Teilnehmer messen, sondern die Spieler selbst. Genau darauf konzentrieren sich die Macher von „All Work All Play“. Sie zeigen die Teams und nicht einzelne Spieler. Und genau das ist der springende Punkt. Um diese Sportart besser zu verstehen, wird man nicht umhinkommen, sich diesen Film anzusehen. Es zahlt sich auch definitiv aus, denn auch wenn es sich nur um eine kleine Gruppe handelt, so wächst sie stetig seit den 1980ern. Seinen Anfang nahm der E-Sport nämlich mit dem vom Spielehersteller Atari organisierten Turnier zu „Space Invaders“. Schon vor über 30 Jahren traten über zehntausend Spieler gegeneinander an, um mit kleinen Raumschiffen insektenförmige, pixelige Aliens abzuschießen.

Jahrzehnte später hat der E-Sport ein anderes Niveau erreicht. Es finden Turniere und Ligen statt, aber im Prinzip treffen sich nach wie vor junge, ehrgeizige Menschen, um gegeneinander anzutreten. Seit Kurzem werden auch Preisgelder ausgeschüttet. Leben können aber nur wenige davon. Ähnlich wie beim Frauenfußball. Aber dieser wird zumindest bereits anerkannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2015)

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