Virtual Reality: Boom kann kommen

An employee sits inside a virtual reality connected car cockpit built by Segula Technologies during the first press day ahead of the 85th International Motor Show in Geneva
An employee sits inside a virtual reality connected car cockpit built by Segula Technologies during the first press day ahead of the 85th International Motor Show in GenevaREUTERS
  • Drucken

Noch ist Virtual Reality in der Nische daheim, aber das wird sich ändern. Google bietet gerade einen günstigen kompletten Bausatz für 360-Grad-3-D-Filme zum Selbermachen an.

Nur nicht aufstehen, die Welt kommt schon noch vorbei – und sei es nur virtuell. Das ist im Grund das Versprechen, das die großen Techfirmen seit Jahren geben, wenn sie ihre Virtual-Reality-Brillen anpreisen. Mit diesen Brillen sollen Menschen das Gefühl erhalten, irgendwo dabei zu sein, ohne wirklich dabei zu sein. Und es funktioniert: Ein Klick und man sitzt in der Hochschaubahn, ein Klick und man fliegt mit den Vögeln. Einmal den Kopf nach hinten drehen und man sieht, welche Gegner im VR-Ballerspiel auf einen lauern. So sitzen die Hardcore-Gamer und Early Adopter mit ihren VR-Brillen im Wohnzimmer und warten. Nur die Welt will und will nicht kommen.

Da half es auch nichts, dass Google vor einem Jahr so etwas wie die Einstiegsdroge in die virtuelle Welt auf den Markt gebracht hat. Google Cardboard ist eine VR-Brille aus Karton, die das eigene Smartphone als Display nutzt. Größtes Plus: Sie kostet de facto nichts. Eine Million Menschen haben sich seither so eine Brille gebastelt und ihr Smartphone für Googles virtuelle Welt fit gemacht.

Die Zahl der Wartenden steigt also. Wer aber keine teuren Spiele kaufen will, kann mit den Brillen bisher wenig anfangen. Vor allem Filme im 360-Grad-Blickwinkel und mit vollen 3-D-Erlebnis sind noch Mangelware. Zu teuer und umständlich war deren Produktion bisher.


Ein Ring aus Kameras. Genau das ändert Google jetzt. Vor wenigen Tagen stellte der amerikanische Internetkonzern auf seiner Entwicklermesse I/O den ersten kompletten Werkzeugkasten für die VR-Gemeinde vor: Google Jump. Google Jump vereinfacht Aufnahme, Produktion und Vertrieb von VR-Filmen extrem. Der anschaulichste Teil ist das ringförmige Gestell für 16 Kameras, das es jedermann ermöglichen soll, Filme mit Rundumblick zu drehen. Dazu kommt eine Software von Google, die aus dem Rohmaterial der 16 Kameras automatisch ein Video zusammenstellt und ein entsprechender Player auf Googles Videoplattform YouTube. Wer den fertigen Clip dann in seiner VR-Brille sieht, ist nicht an den Blickwinkel des Kameramanns gebunden, sondern muss nur den eigenen Kopf wenden, um zu sehen, was hinter dem Filmemacher los war.

Als erste Jump-taugliche Kamera hat Google die Hero4 von GoPro vorgestellt. Bei einem aktuellen Preis von 350 Euro pro Stück kostet das komplette Equipment also rund 5600 Euro. Aber auch jede andere Kamera soll zum Einsatz kommen dürfen, betont Google – und will auch die Baupläne für das Gestell freigeben. Alles für ein Ziel: Möglichst viele VR-Filmchen sollen auf YouTube landen, dort den Weg für den großen Virtual-Reality-Boom ebnen – und Werbeumsätze für Google generieren.

Der Plan könnte aufgehen. Die Branche hat bereits Milliarden in die Entwicklung von Virtual-Reality-Brillen investiert. Samsungs Gear VR ist bereits um ein paar hundert Euro zu haben, Facebook will nächsten März eine massentaugliche Version seiner Oculus Rift verkaufen, Sony bringt sein VR-Headset Morpheus für die Playstation 4 im Juni in die Geschäfte. Die Investmentbanker von Piper Jaffray schätzen den Markt in zehn Jahren auf 60 Milliarden US-Dollar. Die Geräte dafür sind längst da – von spottbilligen Kartonbrillen zu hochpreisigem Luxus-Equipment. Dank Google Jump – und des kreativen Drangs der Menschen – werden sie bald auch mit Inhalt und Leben gefüllt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.