Apple Music: Die verpasste Revolution

Streamen statt kaufen setzt sich durch.
Streamen statt kaufen setzt sich durch.imago/Sven Simon
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Es sollte die große Musikoffensive auf dem Streaming-Markt werden. Jetzt ist Apple Music verfügbar, und von einer Revolution ist nichts zu spüren und erst recht nichts zu hören.

Der geneigte Apple-Enthusiast wusste bereits vor drei Jahren anhand zahlreicher Gerüchte im Internet über das Vorhaben des kalifornischen Unternehmens Bescheid, einen Musik-Streaming-Dienst nach dem Vorbild von Spotify auf den Markt zu bringen. Auf der WWDC (Worldwide Developer Conference) war es dann auch so weit, und Apple Music wurde enthüllt. Natürlich nicht ohne das fehlende Großaufgebot an Adjektiven, wie „fantastisch“, „einzigartig“ und „unglaublich“ dieses neue Angebot sei.

Ähnlich unglaublich ist auch das vorangegangene Spektakel im Zusammenhang mit Taylor Swift. Zwingt doch tatsächlich eine 25-Jährige den Apple-Konzern innerhalb eines Tages zum Einknicken, sodass Künstler auch in der dreimonatigen kostenlosen Testphase bezahlt werden. Die Verträge werden unterzeichnet, und rechtzeitig zum Start ist das neue Album der Sängerin exklusiv via Apple Music erhältlich. Man könnte fast den Eindruck bekommen, dass all das von Anfang an ausgeklügelt und geplant war.


Apple Music ist da. Am 30. Juni hat Apple dann angefangen, das Update iOS 8.4 weltweit zu verteilen – inklusive Apple Music. Die neue Version installiert, und schon wird gestreamt. Zumindest für die nächsten drei Monate, denn so lang wird das kostenlose Test-Abo beworben. Doch da hat man die Rechnung nicht mit Apple gemacht. Die Zahlungsdaten müssen nämlich trotzdem schon vorab angegeben werden. Ohne sie geht es nicht. Also: Kreditkarte gezückt und sofort in den Einstellungen die automatische Abo-Verlängerung deaktiviert. Die Vorfreude auf Apple Music schwindet mit jeder weiteren notwendigen Dateneingabe. Doch dann endlich erscheint der neue Streaming-Dienst und will sich von seiner besten Seite zeigen. Über 30 Millionen Lieder und viele verschiedene Einstellungen sollen das Musikerlebnis und den Genuss auf eine neue Ebene bringen.


Erdrückende Vielfalt. Auswahl zu haben ist definitiv nichts, was man einem Musikdienst negativ auslegen kann, aber bei der Nutzeroberfläche ist jedenfalls noch Luft nach oben. In manchen Bereichen wäre ein Orientierungsplan hilfreich. Dabei haben es manche Funktionen gar nicht notwendig, sich zu verstecken. Lediglich bei der Funktion „Für dich“ zeigt sich Apple im gewohnten Licht: in einfachem und ansprechendem Design. Anhand einiger Angaben, die man macht, werden dem Nutzer personalisierte Musikempfehlungen geliefert. Diese sind erstaunlicherweise auch bei einem sehr untypischen Musikgeschmack bezüglich Genres und Interpreten akkurat. Die Begleittexte unter den Alben sind in vielen Fällen auf Deutsch erhältlich, stammen aber aus einer PR-Schmiede. Ohne „Für dich“ wäre Apple Music nur ein weiterer Streaming-Dienst.

Es ist nur ein marginaler Unterschied zur Konkurrenz und rechtfertigt nicht zwingend einen Wechsel von Spotify und Co. Erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass es den schwedischen Dienst kostenlos gibt. Apple verzichtet auf ein werbefinanziertes Modell und berechnet stattdessen knapp zehn Euro pro Monat. Die Familienversion, bei der sechs Personen zugreifen können, kostet knapp 15 Euro. Dennoch fehlt dem Angebot das nötige Tüpfelchen auf dem i. Sollten aber weitere Stars und Sternchen von Spotify abwandern und ihre Inhalte exklusiv auf Apple Music anbieten, hat sich die Sache auch erledigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2015)

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