Windows 10 ohne "Windows-Effekt"

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Ab Mittwoch verschenkt Microsoft seine neue Windows-Version breitflächig. Die PC-Branche fällt damit um ihren traditionellen Verkaufsmotor um. Microsoft will künftig anders Geld verdienen.

Wien. Es ist das Letzte seiner Art. Ab heute ist Windows 10 offiziell erhältlich. Nach dieser Version will Microsoft kein grundlegend neues Betriebssystem für Computer mehr auf den Markt bringen. Aber das ist nicht der einzige Bruch des Konzerns mit der Vergangenheit. Mit Windows 10 ändert sich das Unternehmen vor allem auch selbst.

Erstmals legt der Softwarekonzern eine Windows-Variante vor, die auf allen Geräten funktioniert, ganz gleich, ob Computer, Tablet oder Smartphone. Und noch wichtiger: Erstmals bekommen zig Millionen Kunden die Software geschenkt. Wer die Vorgängerversionen Windows 7 oder Windows 8.1 offiziell nutzt, kann kostenlos auf Windows 10 aktualisieren.

Das ist einerseits notwendig, um den Flop von Windows8 vergessen zu machen. Vor allem Geschäftskunden machten einen Bogen um die Software mit ihren bunten Kacheln. Windows 10 bringt das gute alte Startmenü zurück, bringt den Internetbrowser Edge, der den ungeliebten Internet Explorer ablösen soll, und erinnert auch sonst an eine Kombination aus Altbewährtem mit einigen Neuerungen. Aber die Entscheidung, einen Großteil der Kunden zumindest ein Jahr lang kostenlos zu bedienen, ist mehr als der Versuch eines alternden Branchenriesen, die Herzen der Konsumenten zurückzuerobern. Es ist der Versuch, das eigene Geschäftsmodell an das 21. Jahrhundert anzupassen, der zugleich das gewohnte Gleichgewicht in der IT-Branche auf den Kopf stellen wird.

Ein Fünftel weniger PCs

Bisher war es einfach. Microsoft brachte alle paar Jahre eine neue Windows-Version auf den Markt. Die überwältigende Mehrheit aller Computerbesitzer stand damit vor der Wahl: relativ viel Geld für ein Upgrade ausgeben oder lieber einen stärkeren PC inklusive aktuellster Software kaufen?

Viele entschieden sich gleich für das Komplettpaket. Gut für Microsoft – gut vor allem auch für die PC-Branche. Vor 20 Jahren, als Windows95 auf den Markt kam, sorgte dieser „Windows-Effekt“ noch für Warteschlangen vor Computergeschäften. Der Verkauf sprang um ein knappes Viertel an. Auch Windows 7 trieb noch viele Menschen dazu, sich einen neuen Computer zuzulegen.

Davon kann diesmal keine Rede sein. Viele bekommen Windows 10 geschenkt, zudem ist die Software schlanker geworden. Die technischen Mindestanforderungen haben sich seit Windows 7 aus dem Jahr 2009 nicht mehr erhöht.

Die Marktforscher von IDC erwarten daher nicht mehr, sondern sogar weniger PC-Käufe im heurigen Jahr. Die Branche wird ihren vier Jahre andauernden Abstieg demnach nicht stoppen können. 2015 werden rund 289 Millionen Computer verkauft werden, so IDC. Ein starkes Fünftel weniger als zur Hochblüte im Jahr 2011.

Auf den Spuren von Google

Vier Hersteller – Dell, Hewlett-Packard, Lenovo und Acer – bieten ab heute Geräte an, die Windows 10 vorinstalliert haben. Voll auskosten werden es die Nutzer wohl auch nur mit neuer Hardware können. Microsofts neuer Sprachassistent, Cortana, versteht seine Besitzer mit neuen Mikrofonen besser, Touchscreens erleichtern das Arbeiten, wenn Kunden doch die Kachelvariante von Windows 10 nutzen wollen. Bessere Kameras und Fingerabdrucksensoren vereinfachen das Log-in und erhöhen die Sicherheit. Wirklich notwendig sind neue PCs für Windows 10 aber nicht.

Microsoft ändert mit der Gratisaktion auch seine Strategie, wie es künftig Gewinne machen will. Statt einmal, beim Kauf eines neuen PC, viel Geld für Windows an Microsoft zu überweisen, sollen die Nutzer immer wieder ein wenig zahlen. Für den Kauf von Apps und Spielen oder als Werbezielscheibe für Anzeigenkunden bei der Microsoft-Suche. Ganz so, wie es Google und Apple zuletzt vorgelebt haben.

Als Bruch mit den Hardwarepartnern sieht Microsoft seine Vorgangsweise nicht. Die wahre Front verlaufe zwischen Microsoft auf der einen sowie Apple und Google, die den mobilen Markt dominieren, auf der anderen Seite, so der Konzern. Die PC-Verkäufe würden schon allein deshalb steigen, weil Windows 10 die Aufmerksamkeit wieder auf klassische PCs lenke.

AUF EINEN BLICK

Windows10 ist seit dem heutigen Mittwoch erhältlich. Das jüngste – und angeblich auch letzte – Betriebssystem von Microsoft soll dem Konzern im Kampf gegen Apple und Google wieder zu mehr Relevanz verhelfen.

Dafür hat Microsoft einige Zugeständnisse gemacht. Das Startmenü ist zurück, der Internet Explorer wird abgelöst – und für viele Nutzer ist die Software erstmals kostenlos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2015)

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