Businessideen: "Vermutungen müssen getestet werden"

Philippe Thiltges ist Mitgründer von WhatAVenture, das Start-ups beim Entwickeln ihrer Businessidee hilft. Ein Gespräch über Innovationsmethoden und warum man sich auf Businesspläne nicht verlassen sollte.

WhatAVenture ist ein „virtueller Guide“ und verkauft sich mit dem Versprechen, eine Geschäftsidee in eine Erfolgsstory zu verwandeln. Das klingt nach einem recht gewagten Gelöbnis.

Philippe Thiltges: Wir haben einen Prozess entwickelt, der verschiedene Innovationsmethoden aus der Start-up-Szene kombiniert. Mit diesen Prozessen unterstützen wir die Geschäftsideen von Start-ups. Zu diesem Zweck haben wir rund um den Innovationsprozess eine Online-Plattform aufgebaut und Offline-Materialien entwickelt, mit denen Gründer ihre Idee entwickeln.

Wie funktioniert das genau?

Über die Plattform fragen wir die Gründer verschiedene Punkte zu ihrem Projekt ab: Etwa, mach' dir Gedanken über deine Zielgruppe, was hat sie für Probleme, wie willst du sie lösen? Was für technische Features braucht es dafür. Schritt für Schritt wird den Gründern erklärt, wie sie an ihr Start-up herangehen sollen. Erfahrungsgemäß machen sich die meisten nämlich nur Gedanken über ihr Produkt und nicht, was für ein Problem es lösen soll.

Das klingt nach einem Fragebogen.

Es funktioniert auch wie ein Fragebogen, ist aber ganz stark visualisiert. Wir arbeiten auch nur mit Stichworten oder kurzen Antworten, damit man die Schwachstellen der Idee auf einen Blick erkennt.

Es gibt in der Start-up-Szene aber ohnehin schon eine Vielzahl an Inkubatoren und Förderorganisationen. Wozu brauchen Start-ups noch WhatAVenture?

Es stimmt, dass die meisten Start-ups, wenn sie eine gewisse Qualität auf den Boden bringen, von einem Accelerator, Incubator oder einem Fördergeber betreut werden. Diese Institutionen greifen aber oft auf uns zurück, weil sie mit ganz ähnlichen Prozessen, wie wir sie entwickelt haben, ihre Start-ups voranbringen. Wir haben Infrastruktur entwickelt, um diese Prozesse effizienter und erfolgreicher zu gestalten.

In welchen Belangen muss den Start-ups am häufigsten geholfen werden?

Für uns ist es sehr spannend zu beobachten, dass in letzten Jahren neue Innovationsmethoden entstanden sind, die sich etabliert und validiert haben. Die meisten Start-ups behaupten, auch danach zu arbeiten. Aber wenn wir sie dann durch unseren Prozess schicken, merken sie schnell, dass sie das nicht tun. Beispielsweise kennt zwar jeder das „Lean Start-up“-Konzept, und es weiß jeder, dass es darum geht, ein Produkt mit möglichst schlanken Strukturen zu entwickeln. Aber dieses Konzept wirklich so weit zu treiben, indem etwa sehr frühphasige Prototypen herausgegeben werden, die in ihrer Funktionalität noch stark eingeschränkt sind, das bringen die Leute nicht zustande.

Start-ups sollen also mutiger sein.

Nicht nur Start-ups. In unseren Workshops sitzen auch Mitarbeiter von etablierten Unternehmen, die sich in einem Innovationsprozess befinden. Die machen große Augen, wenn wir sagen, jetzt lasst das Papier liegen, nehmt den Telefonhörer in die Hand und ruft ein paar Kunden an. Macht Interviews mit ihnen, geht auf die Straße und redet mit den Leuten, beobachtet sie!

Warum ist das für Sie so wichtig?

Das ist der Ansatz, wie wir Hypothesen testen. Früher hat man einen Businessplan geschrieben. Da schreibe ich 30, 60 Seiten über etwas, das heute aktuell ist und am Ende des Schreibens schon wieder veraltet ist. Der größte Fehler wäre, blindlings dem Plan zu folgen – dann geht man damit zugrunde. Businesspläne bauen auf Annahmen auf. Wir haben einen anderen Zugang: Vermutungen dürfen nicht nur Grundlage für Entscheidungen sein, sondern müssen auch getestet werden. Bevor ich eine Plattform aufbaue, um zu testen, ob ein Produkt funktioniert, mache ich erst viele kleine Schritte, bei denen ich noch gar keine Developer brauche. Dadurch erspare ich mir ein halbes Jahr Arbeit für etwas, von dem ich am Ende nicht einmal weiß, ob es jemand kaufen möchte.

Solche Anleitungen kennt man auch aus der klassischen Unternehmensberatung. Wie grenzen Sie sich davon ab?

Indem wir mit unserer Plattform oder der Innovation Box Infrastruktur zur Verfügung stellen. Einem Accelerator, der seit ein paar Jahren funktioniert, brauchen wir kein Consulting anbieten. Der berät und fördert seine Start-ups selbst, er profitiert aber von unserer Plattform, weil er damit seine Schützlinge effizienter managen kann.

Was können sich etablierte Unternehmen von Start-ups abschauen?

Den Umgang mit neuen Ideen. Wir haben bei großen, eingesessenen Firmen oft festgestellt, dass bei ihnen viel Energie in die Hierarchiepolitik geht. Das gibt es bei Start-ups halt gar nicht. Wenn ich heute in der Früh mit einer Idee aufwache, bespreche ich die mit meinen Mitgründern und am Abend habe ich das erste Konzept auf dem Tisch liegen, wie wir die Idee umsetzen können. Bei immer mehr Unternehmen stellen wir aber einen Wandel fest. Sie wollen von diesen eingefahrenen Prozessen wegkommen, um neue innovative Ideen nicht gleich im Keim zu ersticken.

Steckbrief

Philippe Thiltges
ist 27, er hat an der Wirtschaftsuniversität Wien am Institut für Entrepreneurship und Innovation studiert und ist in Wien aufgewachsen.

Er ist Mitgründer von WhatAVenture, das anderen Start-ups bei der Entwicklung ihrer Gründungsidee hilft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2015)

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