"Sim City" für Sadisten

(c) Introversion Software
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Auf Steam finden sich viele kleine Indie-Spiele von unterschiedlicher Qualität. Bei"Prison Architect" haben die Entwickler alles richtig gemacht und auf Anhieb einen Klassiker abgeliefert.

Wer hat nicht immer schon davon geträumt, sein eigenes Gefängnis zu planen, zu bauen und zu führen? Wie war das? Sie nicht? Das ist schade, denn „Prison Architect“ ermöglicht das auf geradezu brillante Art und Weise.

Das kleine Indie-Spiel, das man sich etwa bei der Plattform Steam (um 28 Euro) holen kann, gehört zu den bisher besten Ergebnissen der Gattung „Early Access“, mit der Spielern ermöglicht wird, auch unfertige Varianten eines Spieles zu spielen und Input zu geben. Leider wird dieses Prinzip oft missbraucht, was zu unfertigen Spielen führt, die zwar Potenzial und Fans haben – aber keine Entwickler mehr.

Introversion Software, das britische Studio hinter „Prison Architect“, hat aber alles richtig gemacht und nach mehreren Jahren offener Entwicklung ein rundum gelungenes Managementspiel vorgelegt, das geneigten Gefängnisarchitekten stundenlange Beschäftigung garantiert.


Zaun nicht vergessen

Das Prinzip erinnert an den ewigen Klassiker „Sim City“: Zuerst müssen Gebäude als Linien in den Sand gezogen werden: eine Gemeinschaftszelle, dann eine Dusche, eine Kantine, eine Küche und ein Büro für den Gefängnisdirektor. Nach ein paar Minuten kommen die ersten Häftlinge – und wer bis dahin keinen Zaun um sein erstes kleines Gefängnis gebaut hat, dem werden sie sogleich wieder entfliehen.

Überhaupt fliehen Häftlinge gern, was die zentrale Herausforderung des Spiels darstellt. Wenn irgendwann hunderte schwere Jungs im Gefängnis herumlaufen, braucht es auch eine Menge an Aufsehern und Hundestaffeln, um etwaige Tunnel aufzuspüren. Ab und zu muss man die Zellen durchsuchen lassen und ertappte Übeltäter in Einzelhaft stecken, um ihnen eine Lektion zu erteilen. Ein erfahrener Architekt kann sich auch einen Hochsicherheitsknast mit Todeszelle bauen und seine Insassen mit einer grässlichen Umgebung quälen, dann wird „Prison Architect“ tatsächlich zu „Sim City für Sadisten“. Aber ein Anfänger wird schnell feststellen: Geht es den Insassen gut, geht es dem Direktor gut. Und auch wenn in jeder Ecke eine Überwachungskamera hängt, wird er gut beraten sein, seinen Insassen alle Annehmlichkeiten zu bieten, die man sich vorstellen kann.

Warum? Weil einigermaßen zufriedene Häftlinge seltener randalieren, weniger Schlägereien auslösen und in der Folge weniger Aufseher abmurksen, was in schlecht geführten Gefängnissen schon vorkommen kann. Wer seine Insassen bei Laune halten will, kann einen Hof anlegen, eine Kapelle bauen, sie für das Gefängnis arbeiten lassen und sogar Klassenräume eröffnen, damit sie lernen, wie sie in Werkstätten Türen und andere Produkte aus Holz herstellen. Nebeneffekt: Die Produkte können für Geld nach außen verkauft werden. Mit genügend Geld kann ein Architekt sogar das Gebiet für sein Gefängnis erweitern und theoretisch ewig weiterbauen.


Vorsicht

Ein Tipp am Rande: Es ist keine gute Idee, einen Metalldetektor in der Nähe der Duschen zu platzieren. Denn wenn die Häftlinge das Wasser aufdrehen und es bis zum Detektor rinnt, hat die Krankenabteilung auf einen Schlag mit zig Leichen zu kämpfen. Überhaupt sollte die Dusche gleich in der Zelle montiert werden, denn wo immer viele Häftlinge zusammenkommen, gibt es Stunk und Schlägereien.

Glauben Sie nicht? Dann speichern Sie Ihr Gefängnis doch ab und steigen als Häftling(!) wieder ein. Dann ist es Ihre Aufgabe, die Schwachstellen zu suchen und aus dem eigenen Gefängnis auszubrechen. Solche genialen Features sucht man bei den meisten 60-Euro-Spielen vergebens.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2016)

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