Raumfahrt statt Heurigenidyll in Niederösterreich

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Niederösterreich hat sich in den vergangenen Jahren still und leise zu einem Zentrum für Weltraumtechnik entwickelt. Nun will man junge Forscher im Land halten.

St. Pölten. Es begann vor vielen Jahren mit der Herstellung eines Fensters für das Space-Lab der US-amerikanischen Shuttle-Missionen. Heute, man glaubt es kaum, suchen Betriebe, Forschungseinrichtungen und Landespolitik nach Nachwuchs für die – man höre und staune – niederösterreichische Weltraumindustrie. Der Standort, vor allem die Region rund um Wiener Neustadt, ist zu einem bedeutenden Player in der internationalen Raumfahrtgemeinde geworden.

Um den Sektor auch künftig weiter voranzutreiben, hat sich nun die Wirtschaftsagentur des Bundeslands mit dem einstigen Austronauten Franz Viehböck zusammengetan, der von 3. bis 7. Oktober in Wien den „29. Planetary Congress“ mit zahlreichen Nebenschauplätzen in den Ländern organisiert. Gemeinsam mit den beteiligten Unternehmen und Forschungseinrichtungen werben sie nun um junge Talente.

25 Jahre nach seinem Aufenthalt auf der russischen Raumstation MIR erinnert sich der 56-Jährige daran, dass Politiker in der Euphorie von damals davon träumten, aus Niederösterreich ein Technologieland zu machen. „Das hat damals einfach nicht zusammengepasst. Wer an Niederösterreich dachte, hatte eher Bilder von Wein und Tourismus im Kopf“, so der heutige Technikvorstand der Berndorf AG. Passiert ist es trotzdem.

Natürlich, wer Raumfahrt sagt, denkt zunächst an Houston (Texas) oder den russischen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan. Zumindest unter Szenekennern hat sich inzwischen herumgesprochen, dass sich in Niederösterreich ein Markt entwickelt hat, der allein auf dem Sektor Raumfahrt knapp 1000 Personen beschäftigt. Gemeinsam mit der oft eng verzahnten Luftfahrtindustrie dürften es derzeit sogar knapp 3000 Arbeitsplätze sein.

Antrieb für US-Satelliten

Mitten im Waldviertel, in Groß-Siegharts, sitzt mit der Test-Fuchs GmbH beispielsweise einer der weltweit führenden Hersteller für Testsysteme für Luft- und Raumfahrt. Im Norden von Wiener Neustadt entwickelte die AAC (Aerospace and Advanced Composits) sogenannte intelligente Materialien, wie sich selbst schmierende Werkstoffe. Dabei handelt es sich um Produkte, die vor allem deshalb für die Raumfahrt interessant sind, weil gewöhnliche Schmierstoffe im extremen Umfeld des Weltraums den Dienst versagen, dort umgekehrt regelmäßige Wartung jedoch praktisch nicht möglich ist. Und auch im Einflussbereich öffentlicher Forschungseinrichtungen entstanden Technologien, die bereits in Satelliten der amerikanischen Nasa verbaut sind. So entwickelte die Firma Fotec, eine Forschungstochter der Fachhochschule Wiener Neustadt, ein Antriebssystem für Satelliten, das über eine weitere Gesellschaft, die AMR Propulsion Innovation, produziert und auch vermarktet wird.

„Der Plan ist, dass wir uns in diesem Bereich weiter positionieren“, sagt Niederösterreichs Wirtschaftslandesrätin, Petra Bohuslav. Die derzeit tätigen Unternehmen und Forscher seien Hidden Champions, mit deren Hilfe man es nun schaffen müsse, junge, technikbegeisterte Nachwuchsforscher für das Thema zu begeistern. Das könne langfristig Arbeitsplätze auf einem Sektor sichern, der sich, wie Viehböck glaubt, über die Jahre als äußert krisenfest gezeigt habe. (awe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2016)

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