Samsung trägt seinen Stolz zu Grabe

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Der Marktführer stoppt endgültig Produktion und Verkauf des Galaxy Note 7. Wie gefährlich ist das Imagedebakel um brennende Akkus für den Weltkonzern und Südkorea?

Wien. Es war der letzte Ausweg: Am Dienstag stoppte Samsung endgültig die Produktion und den Verkauf des Galaxy Note 7. Der Weltmarktführer für Smartphones versenkt damit das lecke Flaggschiff, das er erst im August vom Stapel gelassen hatte. Dass auch Akkus in Geräten Feuer fangen, die im Rahmen des Rückrufs in den USA schon ausgetauscht wurden, besiegelte das Todesurteil. Eine zweite Rückrufaktion hätte das Premiummodell mit dem großen Display wohl nicht überlebt. Die US-Mobilkonzerne hätten das Risiko gescheut und das Gerät aus ihren Läden geworfen. Jetzt heißt es für die rund vier Millionen bereits ausgelieferten Geräte nur noch: einsammeln, entsorgen und die enttäuschten Kunden entschädigen. Sie bekommen ein anderes Modell oder ihr Geld zurück. Der mehrmals verschobene Verkaufsstart in Europa, zuletzt für 28. Oktober geplant, ist damit hinfällig. Der Kurs der Aktie brach am Dienstag um acht Prozent ein.

Es ist ein beispielloses Debakel auf dem Handymarkt. Dabei lobten Fachleute das Note 7 als sehr gutes Produkt. Das einzige Problem waren anfangs Lieferengpässe, weil die Vorbestellungen alle Erwartungen übertrafen. Mit der flotten Markteinführung schien Samsung den Erzrivalen Apple, der mit seinem iPhone 7 später dran war, geschickt auszustechen. Auch der rasche Rückruf fand noch den Beifall der Branche. Doch offenbar erfolgte beides nicht nur eilig, sondern gefährlich übereilt – was den Weltkonzern in eine Imagekrise stürzt.

Warum tauchte das Problem mit überhitzten Akkus auch bei Austauschgeräten auf? Darüber lässt sich vorerst nur spekulieren. Aber Samsung kommt in jedem Fall schlecht weg. Schon Verwechslungen und Schlampereien beim Austausch dürfte es bei einem 850-Dollar-Gerät eines Weltkonzerns, der sich hohe Qualität und Verlässlichkeit auf die Fahnen schreibt, nicht geben. Schlimmer noch der zweite plausible Verdacht, der durch Angaben zum Rückruf aufkam: Zu gepresst war demnach nicht nur der Zeitplan, sondern auch der Akku im Gehäuse. Der Druck auf die Batterie führte dann zu Kurzschlüssen. In diesem Fall hätte kein Lieferant versagt, ob extern oder von innerhalb des Konzerns, sondern die hauseigenen Produktdesigner.

Breite Basis dämpft Schaden

Kann die Krise für Samsung existenzbedrohend sein? Dagegen spricht die breite Basis: Nur rund 60 Prozent des Umsatzes im gewaltigen Firmenkonglomerat kommen von Samsung Electronics. Dort wiederum steuert der Handyverkauf nur gut die Hälfte bei (neben Fernsehern, Haushaltsgeräten und Komponenten). Kein anderes Modell ist betroffen, als Kassenschlager und Wachstumstreiber diente zuletzt das Galaxy S7. Freilich: Im Rampenlicht steht der Konzern nicht mit Schiffen oder Gebäuden, sondern mit seinen Smartphones. Zumindest auf das wichtige Komponentengeschäft – Chips, Bildschirme und Akkus für Mitbewerber, auch für Apple – könnte sich der Imageschaden ausdehnen.

Dabei hatte der Marktführer in diesem Jahr weiter an Terrain gegenüber Apple aufgeholt. Zumindest in unseren Breiten – für Deutschland gibt es Marktforschung – galt die Marke bisher auch als deutlich sympathischer und qualitätsvoller als die Konkurrenz aus Kalifornien. Nun wittern alle Rivalen Morgenluft. Google gesellte sich mit seinem Smartphone Pixel eben erst dazu. Die Chinesen, allen voran Huawei, holen technologisch auf und greifen mit billigeren Handys an. Bisher konnte Samsung die Prämie der starken, zuverlässigen Marke kassieren – dieser Vorsprung schmilzt dahin.

Ein harter Schlag ist das Desaster auch für Südkorea. Der Samsung-Konzern, der für ein Viertel des BIP und ein Drittel der Exporte sorgt, gilt als Symbol für den Aufstieg des Landes, den Fleiß und den technologischen Pioniergeist seiner Bewohner. Nun fürchten manche ein Szenario wie in Finnland, wo der Kollaps von Nokia eine ganze Volkswirtschaft in die Defensive trieb. Das Klumpenrisiko der „Korea AG“ hat auch die Politik längst erkannt: Die Wirtschaft ist zu abhängig von Wohl und Wehe der Giganten. Zu diesen „Chaebols“ (reichen Sippen) gehören neben Samsung vor allem Hyundai und LG. Das jüngste Buch eines koreanischen Professors dürfte nun reißenden Absatz finden: „Wie Südkorea einen Zusammenbruch von Samsung überleben kann“. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2016)

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