Ein iPhone „made in USA“ – ist das möglich?

Ein Bild von einem Smartphone: Apple-Produkte in der kürzlich erschienenen Stilfibel des US-Technologiekonzerns.
Ein Bild von einem Smartphone: Apple-Produkte in der kürzlich erschienenen Stilfibel des US-Technologiekonzerns.(c) Apple
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Das iPhone ist ein Symbol für den Erfolg einer globalen Lieferkette und des freien Handels. Das werden weder Trump noch China ändern.

Designed by Apple in California. Diese fünf Worte kennt jeder, der einmal ein Produkt von der wertvollsten Firma der Welt gekauft hat. Jetzt hat Apple auch ein Buch mit diesem Titel im Programm. Ein Buch aus Papier – mit Fotos aus der Geschichte der Firma. Wie bei Apple üblich, gibt es das Buch in zwei Größen. Und wie ebenfalls üblich, ist es nicht ganz billig. 200 Dollar kostet das kleine, 300 Dollar das große Buch. Das Ding kommt zu einer für Apple eher eigenartigen Zeit auf den Markt. Der Technologiegigant thront noch immer über der Konkurrenz. Das iPhone ist auch in seiner siebten Auflage ein Verkaufsschlager. An der Börse ist Apple schon lange ein Liebling. Aber seit Ende Oktober hat der Kurs nachgegeben. Es kriselt im Paradies.

Dafür gibt es zwei Gründe: Apple hat mit seinem berühmten Design zuletzt die eigenen Fans verstört. Das neueste iPhone kommt ohne Stecker für Kopfhörer aus. Aber bei den neuen Bluetooth-Ohrsteckern gibt es Lieferschwierigkeiten. Ende Oktober hat Apple dann die neueste Auflage seines wichtigsten Laptops vorgestellt. Die neuen Modelle des MacBook Pro haben zwar einen Stecker für Kopfhörer – aber verzichten sonst derart radikal auf Anschlussmöglichkeiten, dass sogar die extrem loyale Apple-Anhängerschaft empört reagiert hat. Dass Windows-Laptops immer besser werden, hilft Apple freilich auch nicht. Ebenso wenig, dass man die Preise für Computer gleich mal saftig angehoben hat. Immerhin wurden nach heftigen Protesten die notwendigen Adapter billiger.

Der zweite Grund für Apples kleine Sinnkrise heißt Donald Trump. Der nächste US-Präsident hat sich schon im Wahlkampf auf den Konzern eingeschossen. Seine Kritik: Designed in California ist gut – aber ein „iPhone made in USA“, das wäre viel besser. „Wir werden Apple dazu bringen, ihre verdammten Computer und andere Dinge in diesem Land zu bauen statt in anderen Ländern“, sagte Trump in einer Rede im Jänner: „Was bringt es uns, wenn sie in China produzieren?“ Der von Hillary Clinton in den Vorwahlen geschlagene Linkspopulist Bernie Sanders hatte bereits ähnliche Töne von sich gegeben. Und Apple hat sich seit der Wahl Trumps auch schon auf eine Charmeoffensive begeben. So hat CEO Tim Cook Trump nach dessen Wahlsieg angerufen. Auch hat er seine Zulieferer beauftragt, eine mögliche Verlagerung der iPhone-Produktion in die USA zu prüfen.

Doch wer sich mit der Anatomie der Technologie-Ikone iPhone beschäftigt, stellt schnell fest: Die Debatte hat höchstens populistischen Wert. Ein iPhone ist nicht „made in China“. Es wird dort zwar zusammengesetzt, aber dieses weltweit gekaufte Produkt ist tatsächlich das Ergebnis einer in der Geschichte nicht gekannten globalen Lieferkette. Wer mit seinem Smartphone auf Twitter gegen Freihandel und Kapitalismus wettert, macht sich arg lächerlich.

Der Weltkonzern Apple beschäftigt über seine Zulieferer mehr als 1,6 Millionen Menschen – also in etwa die Wiener Bevölkerung. Insgesamt 766 Firmen sind am Bau von iPhones, iPads und Macs beteiligt. Fast die Hälfte davon (346) sitzt tatsächlich in China. 126 sind in Japan, 69 in den USA und 41 in Taiwan. Das Glas für den Touchscreen kommt aus Fabriken in Kentucky, Südkorea, Japan und Taiwan. Das ist einer der teuersten Teile im Handy – und kostet laut den Branchenanalysten von IHS rund 20 Dollar. Der Prozessor wurde zwar von Apple entwickelt, wird aber vom Erzfeind Samsung und einer weiteren Firma in Taiwan gebaut.

Die von der Elite-Uni MIT herausgegebene „Technology Review“ hat ausgerechnet, dass die – theoretische – Verlagerung eines Großteils der iPhone-Produktion nach Amerika das Gerät um mindestens 30, eher aber 100 Dollar verteuern würde. In diesem Szenario würden Stück für Stück alle Apple-Zulieferer ihre Fabriken in die USA verlegen und dort etwa das Dreifache für Lohnkosten ausgeben. Dass dies im besten aller Fälle nur zu einer Verteuerung um 30 Dollar führen würde, zeigt aber nur, dass Arbeitskosten tatsächlich eher unbedeutend sind für den gesamten Produktionsprozess eines iPhones. Schätzungen zufolge kostet die Zusammensetzung in China knapp zehn Dollar pro Gerät.

Das Problem, das eigentlich keines ist, hat schon der verstorbene Apple-Gründer, Steve Jobs, dem aktuellen Präsidenten, Barack Obama, erklären müssen. Apple produziere nicht nur in China, weil die Arbeitskräfte dort billiger seien, sagte Jobs. Sondern auch, weil China eine große Zahl an gut ausgebildeten Arbeitern habe und die Zulieferer dort viel flexibler bei der Umsetzung neuer Produkte seien als die amerikanische Konkurrenz. Um sich der Bedeutung der globalisierten Wirtschaft und eines möglichst freien Welthandels bewusst zu werden, hilft ein Blick auf das Periodensystem. Forscher des US-Energieministeriums haben ausgerechnet, dass in einem iPhone rund 75 Elemente stecken – zwei Drittel des Periodensystems. Eines der wichtigsten ist das Aluminiumerz Bauxit. Aluminium ist ein wichtiger Bestandteil von iPhones. Aber in den USA gibt es keine nennenswerten Bauxit-Vorkommen. Auch die sogenannten seltenen Erden sind wichtig. Der Weltmarkt dieser Elemente wird von China dominiert.

Wird es also bald iPhones „made in USA“ geben? Eher nicht. Konkurrent Motorola hat erst 2013 versucht, ein Handy in den USA herzustellen – und ist rasch wieder nach China geflüchtet. Zudem macht Peking massiv Druck auf die Unternehmen, sich von Trump nicht beeindrucken zu lassen. Man werde Airbus statt Boeing kaufen, den Verkauf von US-Autos und iPhones in China erschweren und die Zahl an chinesischen Studenten in den USA limitieren, drohte zuletzt eine staatliche Zeitung. Apple wird Trump zuliebe seine Produktion in den USA ein bisschen ausbauen – etwa im PC-Bereich. Auch in China wird man weiter investieren. Aber ultimativ wird es Apple gelingen, seine fetten Gewinnmargen vor politischen Streitereien zu schützen. Die Anleger sollte das beruhigen. Auch wenn sie lieber ein iPhone mit Stecker für Kopfhörer hätten.

E-Mails an:nikolaus.jilch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2016)

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