Fingerabdruck-App als Türöffner im Internet

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IT-Experten aus Österreich haben eine Lösung für den sicheren Internetzugang entwickelt, die ohne Passwörter auskommt. Das Marktpotenzial ist enorm.

Wien. „Enter your password . . . try again . . .“ Verdammt, wie ging das noch mal? Das Problem kennt fast jeder – und die meisten Menschen haben dafür eine einfache Lösung: 123456 war laut einer Erhebung von Splash Data im Jahr 2015 das weltweit am häufigsten benutzte Passwort, gefolgt vom Wort Password.

Die Folgen sind dramatisch: Hacker übernehmen die Kontrolle. Rund 500 Millionen Personalakten wurden laut einer Studie im Auftrag von Symantec 2015 weltweit gestohlen, das sind 23 Prozent mehr als im Jahr davor.

Als User hatte man bislang die Qual der Wahl: Entweder man setzt auf Sicherheit, dann wird es aber meist kompliziert (mit externen Geräten, Verschlüsselungen etc.). Oder aber man agiert nach dem Motto „Keep it simple“ – womit wir wieder bei 123456 und den 500 Millionen gestohlenen Personalakten wären.

Wiener IT-Experten haben nun aber, wie es scheint, eine innovative Lösung gefunden, die hohe Sicherheit bietet, gleichzeitig aber auch für die Anwender einfach ist. Multi Factor Authentication heißt das Zauberwort, mehrere Authentifizierungstechniken werden dabei miteinander kombiniert. Im konkreten Fall fungiert als externes Gerät, was man ohnehin ständig bei sich trägt: das eigene Handy. Und die Authentifizierung erfolgt einfach per Fingerabdruck. Das Smartphone wird zu einer biometrischen Fernbedienung – und das für alle internetbasierten Anwendungen.

Rückkehr nach Österreich

Sobald ein Betreiber die Software in seinem Online-Auftritt implementiert hat, kann jeder Benutzer die App verwenden. „Das ist extrem sicher und einfach, und wir müssen gar nichts über die User wissen“, erklärt Markus Gürtler, der das Start-up mit Florian Randa gründete. Das Produkt heißt Sezame (der Name ist angelehnt an die englische Version von „Sesam, öffne dich“).

Gürtler und Randa haben ihre internationalen Laufbahnen bei Großkonzernen bewusst aufgegeben, um am Standort Österreich wieder innovative Technologien entwickeln zu können. In den 1990er-Jahren sei Österreich beim Auf- und Ausbau von IT-Infrastruktur einer der innovativsten Standorte in Europa gewesen, sagt Gürtler. Internationale Konzerne nutzten den heimischen Markt als Testmarkt, das Know-how wurde weltweit exportiert. Inzwischen sei der Standort Österreich aber ins Hintertreffen geraten, Kapazitäten würden ins Ausland abgezogen, erklären die Sezame-Gründer.

Dabei stellen sie dem Standort ein gutes Zeugnis aus: „Unsere Entwicklungsarbeit erfolgte ausschließlich hier und wurde durch Technologieförderungen schon anerkannt“, sagt Florian Randa, der in seiner bisherigen Karriere für den Aufbau von Sicherheitslösungen für IP-Netzwerke in ganz Europa verantwortlich zeichnete und bei Sezame als Managing Direktor fungiert.

Business Angel an Bord

Ein amerikanischer Business Angel ist bereits in einer frühen Phase des Unternehmens an Bord gekommen und unterstützt die Vertriebsaktivitäten in den USA.

Verhandlungen mit namhaften Anbietern aus verschiedenen Branchen laufen bereits. Als User braucht man nur die Sezame-App und ein Smartphone mit Fingerprint-Sensor. Von diesen werden laut einer Analyse der Credit Suisse 2016 weltweit etwa 600 Millionen Stück verkauft. 2020 sollen es bereits rund 1,5 Milliarden sein. Das wären dann schon knapp 84 Prozent des globalen Smartphone-Markts, den die Marktforscher von IDC bis dahin bei rund 1,8 Milliarden Einheiten stagnieren sehen.

Die alarmierenden Zahlen zu den Hacker-Attacken wiederum setzen Finanzdienstleister, Retailer und andere im Internet aktive Anbieter unter Zugzwang. Zum Sicherheitsaspekt kommen hohe Absprungraten von Online-Kunden, die ihren Warenkorb gefüllt haben, aber ihr Passwort nicht mehr wissen. Bis zu 25 Prozent der Konsumenten wechseln dann sogar den Anbieter, weil ihnen der Prozess zu mühsam wird. Entsprechend gut sind die Wachstumsperspektiven im Bereich Multi-Faktor-Authentifizierung.

Große Wachstumschancen

Zwar arbeiten IT-Unternehmen weltweit an Lösungen, aber auch diese sind meist vergleichsweise kompliziert – etwa mit Verschlüsselungssystemen oder externen Geräten wie Security Token.

Der Kuchen ist aber ohnehin groß, und er wird noch viel größer: ABI Research sieht den Markt für Multi-Faktor-Authentifizierung bis 2020 bei 13,2 Milliarden US-Dollar Umsatz. Ende 2015 waren es „nur“ 1,6 Milliarden Dollar. Marktdaten wie diese machen den Wiener Gründern Mut. Ihre Lösung haben sie schon zum weltweiten Patent angemeldet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2016)

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