3-D-Drucker: Die Fabrik für die Hosentasche

3DDrucker Fabrik fuer Hosentasche
3DDrucker Fabrik fuer Hosentasche(c) Matthias Auer
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Vor Jahren eroberten Drucker die dritte Dimension. Heute liefern sie Möbel, Bikinis und Kunst auf Knopfdruck, doch die Revolution der 3-D-Drucker steht uns noch bevor.

Lautlos dringt der dünne Lichtstrahl in die Wanne voll flüssigen Kunststoffs. Wo er auftrifft, härtet das Material innerhalb von Sekunden aus. Schicht um Schicht wächst so ein festes Objekt aus der Flüssigkeit. Zehn Minuten später ist es vollbracht: Strahlend hält Klaus Stadlmann die wenige Millimeter kleine Schachfigur in die Kamera. Die fein gearbeitete Wendeltreppe im Inneren des roten Turms ist nur noch mit der Lupe gut zu erkennen. Stolz ist der junge Wissenschaftler aber nicht auf die Spielfigur, sondern auf die kleine Fabrik, die den Gegenstand soeben erzeugt hat. Das Gerät, kaum größer als ein Milchpackerl, ist der kleinste 3-D-Drucker der Welt.

Seit fast 30 Jahren können die Menschen nicht nur Zahlen und Buchstaben, sondern auch dreidimensionale Gegenstände drucken. Mit den richtigen digitalen Bauplänen gefüttert, produzieren die großen Kollegen des Mikroprinters heute schon Möbel, Bikinis, Teile für Formel-1-Boliden und sogar Kunstwerke auf Knopfdruck. Wo früher Fließbänder und Maschinen rattern und Handwerker schwitzen mussten, reichen ein paar Mausklicks. Das Potenzial, die Welt zu verändern, wird der 3-D-Technologie schon lange nachgesagt. Nun, da die Geräte immer genauer und günstiger werden, könnte es endlich so weit sein. Enthusiasten sehen bereits jedermann so selbstverständlich Gegenstände daheim ausdrucken wie heute Dokumente. Kritiker warnen hingegen vor Ideenklau und Produktpiraterie.


Kleiner, präziser, billiger. Den ersten Schritt zur Fabrik für die Hosentasche könnte der Mikroprinter sein, den der Maschinenbauer Stadlmann zusammen mit Kollegen an der Technischen Universität (TU) Wien gebaut hat. Der 1,5Kilogramm schwere Prototyp ist nicht nur kleiner und leichter, sondern vor allem präziser und auch günstiger als derzeit übliche 3-D-Drucker. „Wir werden das Gerät noch weiter verkleinern, und auch der Preis wird bald noch weiter sinken“, ist Stadlmann überzeugt.

Doch auch wenn sich Bastler zuhause schon die Hände reiben, der Mikroprinter wurde nicht gebaut, um eine billige Armada an Legofiguren für die eigene Nachkommenschaft aus dem 3-D-Drucker auferstehen zu lassen. Seit die Entwicklung publik wurde, stehen ganz andere Interessenten Schlange. Zahntechniker wollen den Drucker für passgenaue Kronen und Zahnspangen nutzen, Hörgerätehersteller ihre Plastikschalen schnell und individuell fertigen. Auch ein Konsumgüterriese aus den USA hat bereits beim TU-Team angeklopft. „Bis vor Kurzem haben sich nur kleine Firmen und verschrobene Typen für die Technologie interessiert“, sagt Jürgen Stampfl, Maschinenbauprofessor an der TU. „Jetzt werden auch die Herren aus den oberen Etagen der großen Konzerne hellhörig.“


Raus aus der Nische. Im Vergleich zur Massenfertigung besetzen 3-D-Drucker heute tatsächlich nur eine kleine Nische. Zwar nutzen Industriebetriebe die Technologie seit über zwanzig Jahren, um billige Prototypen in allen erdenklichen Materialien und Formen zu entwickeln, damit Manager und Ingenieure die Produkte in Händen halten können, bevor sie eine teure Serienfertigung beschließen. Doch der Markt für Prototypen wächst nur langsam, sagt Stampfl. Interessant wird es überall da, wo 3-D-Drucker die Serienfertigung ersetzen sollen.


90 Prozent weniger Material. Je preiswerter die Geräte werden, desto häufiger spucken sie nicht mehr nur Einzelstücke, sondern auch fertige Produkte aus. Das ergibt derzeit überall da Sinn, wo weniger als tausend Stück gebraucht werden oder die Produkte individuell angepasst werden müssen. Laut einer Schätzung der Londoner Beratungsfirma Eithin Technologies ist bereits jeder fünfte gedruckte Gegenstand ein Endprodukt. Bis 2020 soll dieser Wert auf 50 Prozent steigen. Der Vorteil für die Industrie liegt auf der Hand: 3-D-Drucker verschwenden nichts. Es wird nur so viel Metall, Glas, Kunststoff oder Keramik aufgetragen oder gehärtet wie nötig. So sparen die Firmen 90Prozent an Material ein. Flugzeughersteller wie Boeing oder EADS träumen schon davon, bald ganze Flügel drucken zu können, denn auch bei der Größe sind der Technologie kaum Grenzen gesetzt.

Der Durchbruch dürfte aber aus der Medizintechnik kommen: Muss künftig etwa ein Knochen ersetzt werden, soll der Arzt nicht nur auf ein paar Standardgrößen zurückgreifen müssen, sondern Prothesen und Implantate mit dem 3-D-Drucker auf den Leib schneidern können. „Wir sprechen hier von einem zweistelligen Milliarden-Euro-Markt“, sagt Stampfl. Bisher kostet die Technologie, die die für Medizin und Wirtschaft nötige Präzision liefert, zigtausende Euro. Doch der TU-Wissenschaftler ist überzeugt, dass seinem Team mit dem Mikro-3-D-Drucker ein Schritt in Richtung des lange ersehnten Durchbruchs gelungen ist. „Revolutionen brechen innerhalb von Wochen los“, sagt Stampfl.


Der Konsument als Fabrikant. Bis dahin könnte es gar nicht mehr so weit sein. Erst vor wenigen Monaten eröffnete etwa der Druckerriese Hewlett-Packard eine 3-D-Sparte. Setzen sich die Geräte durch, erwarten manche eine neue Ära des Unternehmertums.

Wer künftig die Idee für ein Produkt hat, braucht nur noch wenig Geld, um sie umzusetzen. Aus Plastik, Metall, Glas oder gar Schokolade sind dann schnell 50Stück ausgedruckt und bei Misserfolg modifiziert oder kostengünstig eingestampft. Selbst in den Ecken der Welt, die bisher von der industriellen Revolution abgeschnitten waren, könnte sich so rasch eine eigene kleine Produktion aufbauen.

Auch für den Konsumenten dürfte sich mit dem Einzug der 3-D-Drucker in den Haushalt einiges ändern. Wer dann ein seltenes Ersatzteil braucht, muss nicht mehr warten, bis es der Hersteller für teures Geld quer über den Globus schickt, sondern kann sich den Bauplan aus dem Internet laden und das Teil auch mitten in der Nacht selbst ausdrucken. Basisvarianten der 3-D-Heimfabriken gibt es unter den Namen MakerBot oder RepRap bereits um wenige hundert Euro. Die Grenze zwischen Konsumenten und Produzenten verschwimmt bereits zusehends. Schon heute bieten Firmen wie Shapeways, ein Spin-off von Philips, oder Freedom of Creation ihren Kunden die Möglichkeit, im Internet Produkte zu kreieren und ausgedruckt nach Hause geschickt zu bekommen. Die einzige Hürde sind die technischen Fertigkeiten. Denn einen Gegenstand am Computer zu konstruieren ist deutlich schwieriger als einen Brief zu schreiben. Noch.


Kunst auf Knopfdruck. Wenn Peter Kogler in seinem Atelier im dritten Wiener Gemeindebezirk sitzt und am Bildschirm eine Skulptur formt, wirkt es fast, als würde ein Kind mit Knetmasse spielen. „Digitales Plastilin“ nennt der bekannte österreichische Multimediakünstler sein neues Werkzeug und prophezeit der Technologie eine ähnliche Durchschlagskraft wie der digitalen Fotografie.

Einige seiner Kunstwerke entstanden bereits im 3-D-Drucker. Sobald die Preise für die Geräte weit genug gesunken seien und das digitale Gestalten in der dritten Dimension intuitiv möglich sei, erwartet er eine „extreme Flut“ an gedruckten Objekten. Die Sorge mancher Künstler und Designer, in der Schwemme unterzugehen, teilt Kogler nicht. „Es werden immer nur wenige Werke wirklich signifikant sein.“ Entscheidend sei letztlich nicht das Werkzeug, sondern die Idee.


Sorge vor Objektpiraten. Was renommierten Künstlern kein Kopfzerbrechen bereitet, verursacht bei manchen Produktdesignern und Konsumgüterherstellern hingegen schlaflose Nächte. Denn so gut kann die Idee nicht sein, dass sie im Zeitalter des Internets nicht im Handumdrehen geklaut und billig kopiert werden könnte. Schon heute kursieren auf Seiten wie „Thingiverse“ digitale Blaupausen für alle möglichen Produkte im Netz. Wer dort nicht fündig wird, scannt das gewünschte Objekt einfach mit einem 3-D-Scanner oder der iPhone-App „Trimensional“.

Freie Bahn also für Produktpiraten, die so auch ohne technisches Vorwissen schnell zu einem lästigen Parasiten für Markenhersteller werden können? Das Schicksal der Musikindustrie hat die Riesen aller Branchen alarmiert. Die ersten Urheberrechtsverletzungen im 3-D-Druck wurden bereits beanstandet. So hat Paramount Pictures erst kürzlich den Bauplan für einen Würfel aus dem Film „Super 8“ aus dem Netz entfernen lassen.

Auf der anderen Seite formiert sich auch in der noch kleinen Gemeinde der 3-D-Drucker bereits Widerstand dagegen, allesamt als Produktpiraten an den Pranger gestellt zu werden. „Wir sollten nicht warten, bis die Industrie urheberrechtliche Bedenken gegen die Technologie anmeldet“, fordert etwa der Jurist Michael Weinberg, der für die amerikanische Interessengruppe „Public Knowledge“ arbeitet und für das Recht der Bürger auf die neue Technologie eintritt. Antworten die Regierungen mit zu vielen Restriktionen, könnte das die erhoffte Revolution hemmen, warnt auch der britische „Economist“. Dann hätte nur noch ein Berufsstand wirklich Freude an den 3-D-Druckern: die Anwälte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2011)

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